Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
ängstlich, wie Janet
eben gewesen war - und doch...
Dylan sah
sich beiläufig um, sondierte die Umgebung und gab sich Mühe, dabei nicht nervös
oder verloren zu wirken - denn das zog Leute magisch an, die dumme Touristinnen
ausnehmen wollten. Sie hielt ihre Handtasche vor sich, eng am Körper, den Arm
fest darübergelegt. An den Knotenpunkten des öffentlichen Nahverkehrs wimmelte
es nur so von Dieben, genauso wie zu Hause in den Staaten, und auch die Gruppe
Jugendlicher entging ihr nicht, die an einer Reihe öffentlicher Telefonzellen
in Ausgangsnähe herumlungerte und die voraneilende Menge aufmerksam
beobachtete. Wahrscheinlich Taschendiebe. Die waren hier anscheinend oft in
Banden unterwegs.
Um kein
Risiko einzugehen, vermied sie es, an ihnen vorbeizugehen, und machte lieber
einen Umweg und nahm den Ausgang, der am weitesten von der Gruppe entfernt war.
Als sie den
uniformierten Sicherheitsbeamten bemerkte, der auf die Jungen zutrat und ihnen
die Tür wies, fühlte sie sich auf Prags Straßen schon wie ein alter Hase. Die
Jugendlichen machten sich davon, und Dylan drückte gegen den Griff der Glastür
des Ausgangs.
Die
Glasscheibe spiegelte ihr ein bekanntes Gesicht - und sofort krampfte sich vor
Schreck ihr Herz zusammen.
Hinter ihr,
fast schon nahe genug, um sie zu berühren, kam ein hünenhafter Mann aus der
Richtung der Bahnsteige auf sie zugeschossen. Die wilden Augen unter dem
Vorhang seines dunklen Haares brannten wie Kohlen.
Und sein
Mund ...
Herr im
Himmel, in ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie ein so entsetzliches,
höhnisches Lächeln gesehen. Zwei perfekte weiße Zahnreihen waren fest
aufeinandergepresst, die Lippen zurückgezogen zu einem wilden, tierhaften
Fauchen. Die Muskeln seines schmalen Gesichts waren zu einer tödlichen Fratze
verzogen.
Er war es -
der Mann, den sie in der Höhle in den Bergen bei Jicín gefunden hatte.
War er ihr
den ganzen Weg gefolgt? Offenbar. Sie hatte ihn schon bei ihrer ersten
Begegnung für verrückt gehalten, aber jetzt war sie sich ganz sicher. So wie er
sie gerade ansah, war er ein totaler Psychopath.
Und er kam
auf sie zugeschossen, als wollte er sie mit bloßen Händen zerreißen.
Dylan schrie
auf, ihr entfuhr ein scharfes, angstvolles Aufkeuchen.
Sofort
duckte sie sich fort von der Eingangstür, schlug einen Haken nach links und
rannte los, was das Zeug hielt. Hoffentlich aus seiner Reichweite hinaus. Ein
schneller Blick über die Schulter, und sofort hämmerte ihr Puls noch stärker.
„Herr im
Himmel“, murmelte sie, die Angst durchzuckte sie wie ein Blitz.
Das konnte
doch nicht er sein. Er konnte doch einfach nicht hier sein und nach ihr
suchen...
Aber er war es.
Vor lauter
Panik war sie unfähig, einfach stehen zu bleiben und ihn zu fragen, was er denn
eigentlich von ihr wollte.
Sie rannte
zu dem Sicherheitsbeamten hinüber und packte den Mann am Arm. „Helfen Sie mir,
bitte! Jemand verfolgt mich.“ Sie warf einen hektischen Blick über die Schulter
und zeigte hinter sich. „Er ist da hinten - heller Trenchcoat, langes dunkles
Haar. Bitte. Sie müssen mir helfen!“
Der
uniformierte Tscheche runzelte die Stirn, aber er musste sie wohl verstanden
haben, da er ihrer panischen Geste folgte und mit schmalen Augen die
Bahnhofshalle absuchte. „Wo?“, fragte er, sein Englisch hatte einen starken
Akzent. „Zeigen Sie mir den Mann. Wer belästigt Sie?“
„Ich weiß
nicht, wer er ist, aber er war direkt hinter mir. Sie können ihn nicht
übersehen - über eins achtzig groß, Schultern wie ein Rugbyspieler, dunkel,
sein Haar ist lang und verdreckt und hängt ihm ins Gesicht...“
Da sie sich
jetzt sicherer fühlte, drehte sie sich um, bereit, sich dem Verrückten zu
stellen. Hoffentlich würde sie gleich dabei zusehen, wie man ihn zur nächsten
Irrenanstalt abführte.
Aber er war
nicht da. Dylan durchsuchte die Menge nach dem hünenhaften Kerl, der sich gegen
die Menge abhob wie ein tollwütiger, knurrender Wolf in einer grasenden
Schafherde. Nirgendwo eine Spur von ihm. Die Leute gingen in ruhigen,
geordneten Bahnen vorbei, nichts Ungewöhnliches war zu sehen, nirgends eine
Spur von Unruhe.
Er war wie
vom Erdboden verschluckt.
„Er muss
hier irgendwo sein“, murmelte sie, obwohl auch sie ihn nicht sehen konnte -
weder im wogenden Menschengewühl im Eingangsbereich des Bahnhofs noch in der
Schar von Obdachlosen, die am Bahnhof hausten. „Gerade war er noch da, ich
schwöre es. Er hat mich verfolgt.“
Sie kam sich
wie eine
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