Midnight Breed 04 - Gebieterin der Dunkelheit-neu-ok-14.11.11
mental das Wasser anzudrehen, aber das war auch nicht nötig. Dylan rannte
schon nach nebenan ins Badezimmer. Er hörte das scharfe Zischen des
Wasserstrahls, als die Dusche anging, und dann Dylans weiche Schritte auf dem
Teppich, als sie wieder zu ihm herauskam, wo er in lächerlich hilfloser Haltung
auf der Seite am Fußende des Bettes lag.
Nur vage
registrierte er, wie ihre Schritte sich verlangsamten, je näher sie ihm kam. Er
konnte kaum hören, wie sie hastig über ihm einatmete. Aber wie sie ausatmete,
hörte er, zusammen mit einem leisen Ausruf voller Mitleid.
„Herr im
Himmel.“ Zu lange war die Stille, die auf ihre geflüsterten Worte folgte, dann:
„Rio ... mein Gott. Was für eine Hölle hast du da nur durchgemacht?“
Mit
allerletzten Kräften öffnete Rio einen Spalt weit die Augen.
Großer
Fehler. Das Entsetzen, das er in Dylans Blick sah, war unverkennbar. Sie sah
die linke Seite seines Körpers an, die unverhüllt vor ihr lag ... seinen
Brustkorb und Rumpf, den fliegende Splitter zerfetzt und ihm dabei fast das
Fleisch von den Knochen gerissen hatten, verbrannt von den Flammen der
Explosion, die er fast nicht überlebt hätte.
„Hat sie
...?“ Dylans leise Stimme verklang. „Hatte Ihre Frau etwas damit zu tun, was
mit Ihnen passiert ist, Rio?“
Sein Herz
setzte unvermittelt einen Schlag aus. Das Blut, das ihm wie eine Trommel in den
Ohren schlug, wurde zu Eis, als er trübe in Dylans fragendes, betroffenes
Gesicht hinaufstarrte.
„Hat sie dir
das angetan, Rio?“
Er folgte
Dylans ausgestreckter Hand, als sie nach dem Gegenstand griff, den sie auf dem
Nachttisch abgestellt hatte. Es war ein gerahmtes Foto. Er musste das Bild
unter dem Glas nicht sehen, um zu wissen, dass es ein Schnappschuss von Eva
war, von einem Abendspaziergang, den sie am Charles River gemacht hatten. Eva,
die lächelte, Eva, die ihm sagte, wie sehr sie ihn liebte, während sie hinter
seinem Rücken mit dem Feind des Ordens konspirierte, um ihre eigenen
selbstsüchtigen Ziele zu erreichen.
Rio knurrte
auf, als er daran dachte, wie dumm er gewesen war . Wie blind er gewesen
war.
„Das geht
dich nichts an“, murmelte er, immer noch trieb er hilflos in der Dunkelheit,
die aus den Trümmern seines zerbrochenen Verstandes zu ihm aufstieg. „Du weißt
gar nichts über sie.“
„Sie war es,
die mich zu dir geführt hat. Ich habe sie auf dem Berg in Jicín gesehen.“
Ein absurder
Verdacht begann in ihm zu brodeln, verwandelte seinen Ärger in tödliche Wut.
„Was meinst du, du hast sie gesehen?
Hast du Eva
gekannt?“
Dylan
schluckte und zuckte leicht die Schulter. Sie hielt ihm den Bilderrahmen
entgegen. „Ich hab ihren ... Geist dort gesehen. Sie war dort mit dir auf dem
Berg.“
„Blödsinn“,
knurrte er. „Rede mir nicht von dieser Frau. Sie ist tot und dort, wo sie
hingehört.“
„Sie hat
mich gebeten, dir zu helfen, Rio. Sie ist extra zu mir gekommen. Sie hat mich
gebeten, dich zu retten ...“
„Ich sagte, das
ist Unsinn!“, brüllte er.
Wilde Wut
riss seinen Körper von der Matratze hoch wie eine Viper vor dem Angriff. Er
schlug Dylan den Bilderrahmen aus der Hand, und seine Wut schleuderte ihn in
übernatürlicher Geschwindigkeit durchs Zimmer. Er krachte in den großen
Wandspiegel, der dem Bett gegenüber hing; dieser zerbarst in einer Explosion
glänzender Glasscherben, die wie ein Hagel winziger Rasierklingen durchs Zimmer
stoben.
Er hörte
Dylan aufschreien. Aber erst, als er den süßen Wacholderduft ihres Blutes roch,
erkannte er, was er getan hatte.
Sie presste
sich die Hand an die Wange, und als ihre Finger sich lösten, waren sie
scharlachrot verschmiert von einer kleinen, blutenden Schnittwunde direkt unter
ihrem linken Auge.
Es war der
Anblick dieser Wunde, der Rio aus seiner Abwärtsspirale riss. Dylan verletzt zu
sehen ernüchterte ihn so schlagartig, als hätte man ihm einen Eimer kaltes
Wasser über den Kopf gekippt.
„Ach, Cristo“, zischte er. „Tut mir leid ... tut mir leid.“
Er näherte
sich ihr, wollte sie berühren, um zu sehen, wie schlimm er sie verletzt hatte -
aber sie wich mit weit aufgerissenen Augen, in denen sich das Entsetzen
spiegelte, vor ihm zurück.
„Dylan ...
ich wollte nicht ...“
„Bleib weg
von mir.“
Er streckte
die Hand aus, wollte sie nur beruhigen, ihr zeigen, dass er ihr nichts Böses
wollte.
„Nein.“ Sie
zuckte zusammen und schüttelte wild den Kopf. „Oh, mein Gott. Fass mich bloß
nicht an.“
Madre
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