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Milano Criminale: Roman (German Edition)

Milano Criminale: Roman (German Edition)

Titel: Milano Criminale: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Roversi
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organisiert. Und was Esposito betrifft, tja, den wollen sie lieber nicht mehr zwischen den Füßen haben.
    »Silvester am Meer?«, hatte Vandelli ein paar Stunden zuvor vorgeschlagen, als er in der Bar auf der Piazza Tirana auftauchte. Die anderen hatten das für eine gute Idee gehalten, und so sind sie nun in Forte dei Marmi.
    »Keine Sorge, heute Abend amüsieren wir uns. Es gibt hier ein ganz schickes Lokal, wo es rundgeht.«
    Sie sehen ihn verwundert an, doch Roberto lächelt zweideutig, ohne etwas hinzuzufügen. In Wirklichkeit hat er den Tipp von dem kleinen Studentenpopper bekommen, der im Duetto herumfährt und Harry’s Bar frequentiert. Genau dort schlürfte er gestern seinen Aperitif und schnappte einen Unterhaltungsfetzen dieser Uptown-Revoluzzer auf.
    »Silvester wird in der Bussola in Forte gefeiert! Die Jungs von der Bewegung planen einen Streich, mit dem sie diesen Scheißspießern eins auswischen wollen!«
    Vandelli hätte am liebsten entgegnet, dass sie selbst Scheißspießer waren, hielt sich aber zurück. Letztlich hatte ihm gefallen, was die Roten da am Tag der Opernpremiere vor der Scala veranstaltet hatten. Mindestens zwei Dinge hatte er mit ihnen gemein: die Verachtung für die Reichen und die für die Bullerei.
    So hatte er vom Fleck weg beschlossen, eine kleine Silvester-Reise in die Versilia zu unternehmen, nur um zu schauen, was sie tun würden. Und wo sie schon mal da waren, konnten sie auch gleich ein paar der Herrschaften erleichtern, die jenen Laden frequentierten, wo sogar die berühmte Sängerin Mina auftrat.
    Als sie das Lokal betreten, ist es bereits voll. Pietra wirft einen Blick auf die Karte und stößt einen leisen Pfiff aus.
    »Das Essen kostet ja ein Vermögen.«
    Nina ist wunderschön. Schwarzes, langes Pailettenkleid, mit einem Ausschnitt, der tiefe Einblicke in ihr prächtiges Dekolleté gewährt, dazu perfekt geschminkt. Von Angie kann man das nicht sagen, obwohl sie ihre übliche Jeans gegen ein blaues Kleid getauscht hat, das immerhin zeigt, dass sie eine Frau ist – sehr zu ihrem Missfallen. Die zwei Männer tragen Maßanzüge mit Krawatte und Slipper an den Füßen.
    Insgesamt machen sie keine schlechte Figur, sie wirken wie Mailänder, die mal außerhalb etwas Geld auf den Kopf hauen und sich dem Jetset zeigen wollen, mittelmäßig essen, ein paar Lines auf der Toilette ziehen und sich dann auf der Tanzfläche verausgaben möchten. Wie jedermann im Saal.
    Das Essen beginnt, und nach der Vorspeise lässt Pietra die ersten Anzeichen von Ungeduld erkennen.
    »Hier ist nichts los, Roberto.«
    Vandelli bedeutet ihm, sich zu entspannen. Und schenkt noch Champagner nach.
    »Jetzt genieß mal deine Scampi.«
    Kurz vor Mitternacht bricht das Chaos los. Etwa fünfzig Jungs, darunter auch der Schnösel aus Harry’s Bar mit Parka und rotem Tuch vor dem Gesicht, fallen in das Lokal ein; sie brüllen ihre Parolen und lassen einen dichten Tomatenhagel auf die weißgedeckten Tische niedergehen. Eine landet direkt neben ihrem Tisch und spritzt bis auf Pietras Anzug.
    »Verdammte Scheiße, der ist brandneu!«, schimpft er. Er will schon aufstehen, doch Vandelli hält ihn zurück.
    »Ruhig. Lass uns in Ruhe das Spektakel bewundern.«
    Doch leider ist die Vorführung nicht ganz der Studentenstreich, den er sich erhofft hat. Die Studenten, die – bis auf ein paar zur Verstärkung Angereiste – meist aus der Toskana stammen, wollen zerstören, nicht demonstrieren. Nach wenigen Minuten steht ihnen ein Trupp Carabinieri gegenüber.
    Die Auseinandersetzung verlagert sich nach draußen mit den üblichen Ritualen: Barrikaden, brennende Autos, Molotowcocktails von der einen, Tränengas von der anderen Seite. Der einzige Unterschied ist der, dass sie nicht in Mailand und die Carabinieri hier nicht an solche Zusammenstöße gewöhnt sind. In die Versilia kommen sonst nur die Wohlhabenden, und das Schlimmste, was die Carabinieri kennen, sind ein paar Strafzettel wegen Falschparkens oder Geschwindigkeitsübertretungen. Diese schlammgrün gekleideten Vandalen hingegen haben Eisenstangen und werfen mit Steinen und Brandsätzen.
    Genau betrachtet sind auch die Studenten andere: Es gibt keinen Anführer der Bewegung. Castelli wird anschließend erklären, er habe von dieser Demonstration nichts gewusst. Es handelt sich um Streuner, die Unruhe stiften wollten, um das mondäne Leben der Bourgeoisie dort in Frage zu stellen.
    Dann geht es erst richtig los.
    »Lass uns von hier verschwinden, Roberto«,

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