Milchmond (German Edition)
Arbeitnehmer einsetzen.«
»Du, als Arbeitsrechtlerin, hört, hört!« Ihre Mutter hatte einen erstaunten Gesichtsausdruck aufgesetzt und eine Augenbraue skeptisch hochgezogen. »Darf man fragen, wieso du glaubst, dass gerade die Arbeitnehmer deiner besonderen Hilfe bedürfen?«
»Mama, du bekommst das hier in dieser Heilen-Welt- Idylle nicht mit. Weißt du überhaupt, was am Arbeitsmarkt los ist, wie die Rechte der Arbeitnehmer immer mehr mit Füßen getreten werden? Wenn wir so weiter machen, bekommen wir bald wieder eine Arbeiterrevolution!«
»Das hast du alles von diesem Michael übernommen.« Ihre Mutter hatte ihn nur einmal zu Gesicht bekommen und er war ihr auf Anhieb unsympathisch gewesen. Ihr Vater hatte nur gelächelt und gemeint, das gehöre zum Student-Sein dazu. Die Kraft zu Veränderungen sei immer schon von der Studentenschaft ausgegangen, und das sei auch richtig so! Schließlich war er selbst Mitglied einer studentischen Verbindung.
»Kann schon sein, Mama, dass Micha mir die Augen für diese Probleme geöffnet hat. Dafür bin ich ihm dankbar.«
»Unsere Tochter als kämpferische Revolutionärin! Wer hätte das gedacht?«
»Nein, nicht Revolutionärin! Ich hoffe inbrünstig, dass es nicht so weit kommen wird. Ich will aber dazu beitragen, dass wieder mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt herrscht. Eine Revolution ändert immer nur vorübergehend etwas, und viel Blut würde fließen. Wer könnte so etwas wollen? Es muss unserer Gesellschaft aber klar werden, dass soziale Gerechtigkeit anders aussehen muss als es derzeit der Fall ist.«
Ihrer Mutter wurde das Thema unangenehm und sie zog sich aus dem Gespräch zurück, indem sie sich im Wohnzimmer an den Flügel setzte und zu spielen begann. Julia lauschte dem zarten Spiel. Sie bemerkte, wie beruhigend der aus Kindertagen vertraute Klang auf sie wirkte und atmete tief durch. Ja, hatte sie gedacht, das ist mein Zuhause - Zartheit, Schönheit und Geborgenheit haben mich Zeit meines Lebens begleitet. Welch ein reiches Geschenk mir dargebracht worden ist. Ich will dafür sorgen, dass auch andere Menschen an diesen schönen Dingen teilhaben können.
Zum ersten Mal seit langer Zeit, verspürte sie wieder den Wunsch selber zu spielen. Sie stand geräuschlos auf und schob sich neben ihre Mutter auf die Sitzbank und fiel mit in das Spiel ein, erst zögernd mit einer Hand, dann nahm sie auch die linke dazu. Die beiden Frauen saßen noch eine ganze Weile und spielten gedankenverloren vierhändig auf dem glänzenden, schwarzen Steinway-Flügel, in dem sich der Schein der Kerzen spiegelte.
Kapitel 7
Nach ihrer Rückkehr ins Elternhaus fiel zunächst einmal alle Anstrengung der vergangenen Monate von Julia ab.
Bei schönem Wetter nahm sie ihre Badesachen und ging an den Elbestrand. Es waren herrliche Tage für sie. Mit geschlossenen Augen lag sie auf dem Badetuch und spürte die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut. Sie liebte den Geruch der Elbeluft und die aus Kindertagen vertrauten Geräusche.
Daheim genoss sie es, von ihrer Mutter verwöhnt zu werden. Der Zauber des elterlichen Hauses und der darin wohnende Schöngeist erfassten sie und ehe sie sich's versah, war sie wieder in die Rolle der Tochter aus gutem Hause geschlüpft.
Als die Quecksilbersäule des Thermometers Mitte Juli neue Höchstmarken erreichte, entschloss sich Julia, zum Baden an die Ostsee zu fahren. So packte sie ihre Strandtasche ins Auto und fuhr los nach Travemünde. Da es ein Wochentag war, kam sie gut durch. Aus Erfahrung wusste sie, dass rechtzeitiges Erscheinen am Strand die Aussichten, einen Strandkorb mieten zu können, stark verbesserte.
So fuhr sie gleich nach dem Frühstück los. Leider hatte sie ihre Mutter nicht überreden können, mitzufahren. Da auch sonst keine ihrer alten Schulfreundinnen Zeit hatte sie zu begleiten, fuhr sie allein. Am Strand angekommen, mietete sie sich einen der schönen, weißen Ostsee-Strandkörbe und richtete sich in ihm gemütlich ein. Es war ein windstiller, wolkenloser Tag und schon bald wurde es ihr im Korb so heiß, dass sie beschloss, baden zu gehen. Am Strandeingang hatte sie auf einem Schild gelesen, dass die Wassertemperatur bei zwanzig Grad liegen sollte.
Anfänglich erschien ihr das Wasser sehr frisch, doch schon nach kurzer Zeit gewöhnte sich ihr Körper an die Temperatur und nachdem sie einmal eingetaucht war, begann sie zu schwimmen. In einiger
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