Milchmond (German Edition)
so direkt, wenn man dich fragt, ob dir etwas gefällt?«
»Wer mich kennt, weiß, dass man mich sonst besser nicht fragen sollte. Außerdem bin ich für Klarheit, also, du schuldest mir eine Antwort!«
Er sah sie ernst an und erwiderte: »Ja, mein Schatz, das alles will ich mit dir zusammen erleben; das Leben, die Liebe, die Fürsorge, das Füreinanderdasein, das Chaos und…«
Samtweich verschlossen ihre Lippen seinen Mund und unterbrachen den Strom seiner Worte.
Kapitel 16
Am nächsten Vormittag fuhr Julia zu ihrem Haus in Harvestehude, um ihre Garderobe abzuholen. Tobias war in die Kanzlei gefahren und hatte ihr beim Abschied geraten, sich nicht von ihrem Mann provozieren zu lassen, falls er zu Hause sein sollte.
Er hatte gut reden, dachte sie. Als sie nun vor ihrer Haustür stand und mit zitternder Hand aufschließen wollte, hielt sie mitten in der Bewegung inne und überlegte es sich anders. Sie steckte den Schlüssel wieder ein und klingelte. Die Umstände hatten sich geändert, es war nicht mehr ihr Zuhause. Ein seltsames Gefühl beschlich sie bei diesem Gedanken.
Niemand machte auf, also war Jörg nicht da. Sie fühlte sich erleichtert, schloss nun doch mit ihrem Schlüssel auf und betrat das Haus. Es sah unaufgeräumt aus. Auf dem Wohnzimmertisch standen benutzte Gläser und angebrochene Chiptüten. Eine leere Whisky-Flasche stand auf dem Fußboden neben der Couch. Unwillkürlich schaute sie auf die Gläserränder, ob Lippenstiftspuren anhafteten – Fehlanzeige!
Wahrscheinlich hatte ihm sein Freund, Sebastian, Trost und Zuspruch gespendet. Nun, egal, es war nicht mehr ihre Sache. Sie hatte ihm in ihrem Brief mitgeteilt, dass sie ausziehen würde, aber zunächst nur ihre Garderobe abholen wolle. Sie hatte ihn in dem Brief gebeten, sich zu überlegen, was mit dem Haus geschehen solle.
Sie mietete sich für diesen Tag einen Klein-Transporter und besorgte sich vom Baumarkt Umzugskartons, die sie nun mit ihrer Wäsche und Garderobe füllte. Sie brauchte länger dazu als sie gedacht hatte; danach waren ihr Kleiderschrank und die Schuhschränke leer und das Badezimmer geräumt.
Sie legte für Jörg eine Notiz auf den Tisch, in der sie ihm mitteilte, dass sie ihre anderen Habseligkeiten zunächst im Haus lassen würde und sie das weitere Vorgehen dann später miteinander abklären müssten. Als sie die Tür des Transporters schloss, stellte sie fest, dass es eine recht ansehnliche Anzahl von sauber beschrifteten Kartons war, die den Laderaum ausfüllten. Tisch- und Bettwäsche, sowie Geschirr, Möbel und weiteren ihr zustehenden Hausrat wollte sie erst abholen, wenn sie mit Tobias ein neues Heim gefunden hatte.
Bevor sie losfuhr, ging sie noch einmal durch ihren Garten und nahm Abschied. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr dabei die Tränen kamen, hatte sie doch immer sehr an ihren Pflanzen gehangen. Glücklicherweise traf sie auf keine Nachbarn, so konnte sie ihren Abschied ganz für sich allein nehmen, ohne irgendwelche Erklärungen abgeben zu müssen.
Danach, nicht ohne noch einmal durch das ganze Haus gegangen zu sein und den Kasper aus dem Regal genommen zu haben, fuhr sie los und ließ ihr früheres Leben hinter sich zurück. Ein Leben, das ihr vor zehn Tagen noch so erschienen war, als ob es durch nichts aus der Bahn zu bringen wäre.
Vorbei - aus und vorbei!
Am Steuer des Transporters sitzend, fühlte sie sich plötzlich unglaublich allein und traurig.
Sie hatte nicht gedacht, dass es so schwer sein würde zu gehen und alles hinter sich zu lassen. Erst jetzt wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass sie keine Freundin hatte, mit der sie sich hätte aussprechen und Zuspruch holen können. Von Kirsten und Laura aus Freiburger Studientagen hatte sie seither nichts mehr gehört, und ihre Blankeneser Jugendfreundin, Britta Heinrich, war nach dem BWL-Studium nach Amerika gegangen und hatte dort ihren Master gemacht und geheiratet. Sie hatte gehört, dass sie mittlerweile zwei Kinder hatte - mehr wusste sie nicht von ihr.
Eine freie Bushaltestelle kam in Sicht und sie stoppte den Wagen kurz entschlossen, um sich ein Taschentuch aus der Handtasche zu nehmen. Plötzlich überkam sie das dringende Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Sie kramte nach ihrem Handy und versuchte, Tobias zu erreichen. In der Kanzlei meldete sich eine Frauenstimme: »Steinbrink, Anwaltskanzlei Weidner und Steinhöfel, guten Tag!« Das musste Ella sein, die
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