Miles Flint 06 - Kallisto
er sie verlassen hatte.
Er seufzte leise. Dass sich für ihn plötzlich manches verändert hatte, hieß schließlich nicht, dass sich auch für andere etwas geändert hatte. Und er hatte lediglich ein paar zusätzliche Fragen, die er vor ein paar Tagen noch nicht gehabt hatte. Weiter nichts.
Auch wenn es sich nach weit mehr anfühlte.
Er fühlte sich so jung, so naiv und panisch wie damals, als Emmeline gestorben war. Er musste zur Ruhe kommen. Er musste sich sammeln und wieder der Mann werden, der sein eigenes Geschäft aufgemacht und Verschwundene aufgespürt hatte.
Er musste klar denken, anderenfalls würde er gar nichts erreichen.
Er würde die Reise dazu nutzen, zur Ruhe zu kommen.
Und er würde sich unterwegs die Dateien ansehen, die er über Rhonda zusammengetragen hatte.
Er würde vorbereitet sein – nicht panisch.
Damit er zuhören konnte.
Damit er herausfinden konnte, was seiner Familie vor all diesen Jahren wirklich zugestoßen war.
43
D as Silver Sunshine Hotel im Valhalla Basin war der luxuriöseste Ort, den Celestine Gonzalez je in ihrem Leben betreten hatte. Es erhob sich sechzehn Stockwerke hoch und traf sich oben mit dem Kuppeldach. Es schien aus dem gleichen Material zu bestehen wie die Kuppel selbst, doch wenn die Kuppel die Farbe wechselte – was Kuppeln stets taten –, reflektierte das Silver Sunshine die Veränderung in seiner silbrigen Außenfläche.
Es sah aus wie ein silbriges Spiegelbild eines Sonnenuntergangs oder eines strahlenden Sonnentags oder einer dunklen Nacht, in der es nichts gab, außer der dräuenden Präsenz des Jupiters über ihnen.
Gonzalez hatte ein Taxi zum Hotel genommen, statt den Wagen kommen zu lassen, den Oberholst gemietet hatte. Der Taxifahrer zeigte sich recht freundlich, als er herausfand, dass sie nicht aus dem Valhalla Basin stammte. Erst dachte er, sie wäre eine neue Mitarbeiterin von Aleyd, und als er erfuhr, dass das nicht der Fall war, nahm er an, sie wäre gekommen, um geschäftlich mit Aleyd in Verhandlung zu treten.
Theoretisch, so nahm sie an, war sie das tatsächlich. Sie würde innerhalb des Rechtssystems des Valhalla Basins gegen sie antreten, und das bedeutete, dass sie eine Menge Verhandlungen vor sich hatte.
Aber auch in diesem Punkt hatte sie ihn korrigiert. Sie war in einer Rechtsangelegenheit hier und bliebe nur wenige Tage, erklärte sie ihm. Und da fing er an, über die Kuppel zu sprechen.
Er öffnete das Dach seines Taxis, damit sie es sehen konnte, damit sie sehen konnte, wie die Kuppel von Tageslicht über Dämmerlicht zur Kuppelnacht überging, genau wie die Kuppel von Armstrong. Dann erzählte er ihr, dass die Kuppel manchmal ein willkürliches Farbenspiel zeigte, wie neulich, als sie während eines Vierundzwanzig-Stunden-Erdentags von Lavendel zu dunklem Purpur wechselte.
Das gefiel ihm so gut wie der Jupiter selbst, der manchmal so nahe schien, dass er den ganzen Himmel dominierte. In solchen Zeiten blieb die Kuppel oft klar, damit die Bewohner des Valhalla Basins nur aufblicken mussten, um all das Rot, das Orange und das Braun zu sehen, so wunderschön, als hätte ein Künstler es für eine besondere Kuppelshow entworfen, die jeden Oktober vorgeführt wurde.
Er deutete auf die Glanzlichter der Stadt – das Unternehmensmuseum, das angefüllt war mit Kunst aus allen Projekten, die Aleyd je durchgeführt hatte; den historischen Abschnitt; und, natürlich, Aleyds Firmenzentrale, die das ganze Stadtzentrum belegte.
Als das Taxi in den Andockring in der mittleren Etage des Silver Sunshine Hotels glitt, fragte sie den Fahrer, wie es sich als Nichtmitarbeiter in einer Unternehmenssiedlung lebte.
»Das verstehen Sie falsch, Ma’am«, sagte der Fahrer höflich. »Das Taxi gehört nicht mir. Es gehört Aleyd. Im Grunde arbeite ich also auch für sie.«
Sie musste die Fahrt noch bezahlen – eine Fahrt, die nicht annähernd so teuer war wie eine vergleichbare Fahrt in Armstrong –, aber nach seinem Eingeständnis, dass er für Aleyd tätig war, verspürte sie dazu nicht die geringste Lust. Dennoch schenkte sie ihm zu der Zahlung ein Lächeln, dankte ihm und stieg mit ihrer Tasche und dem zusätzlichen Informationschip aus, den Zagrando ihr zugesteckt hatte, bevor sie gegangen war.
Dann betrat sie das Silver Sunshine.
Die Lobby dehnte sich so weit sie sehen konnte. Ein Atrium erhob sich mehrere Stockwerke über die Eingangsebene (die sich, wie sie vermutete, im sechsten Stock befand). Das Atrium war geformt wie
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