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Milner Donna

Milner Donna

Titel: Milner Donna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: River
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schützend die Arme um meine Schultern. Ehe der Schlitten mit einem Ruck anfuhr, reichte mir Elizabeth-Ann den letzten Becher und sagte: »Was bist du nur für ein Glückspilz, Natalie Ward.«
    Als die Tour beendet und die Holzkisten auf dem Schlitten zum Bersten gefüllt waren, hielten wir vor dem Gebäude neben dem Krankenhaus. Mom und Dad kletterten aus dem Truck. Sie gingen nach hinten zum Schlitten, wo Morgan und Boyer ihnen je eine volle Kiste überreichten. Ich sprang hinunter und reckte mich nach einer weiteren.
    River reichte mir die Kiste, wobei er Mom im Auge behielt, die gerade das schwere Holztor zwischen den Hecken aufschob. » Our Lady of Compassion , Mädchenschule« – zu diesem Zeitpunkt wusste selbst River, worum es sich bei dem Steingebäude neben dem Krankenhaus tatsächlich handelte.
    »Geht das alles hierher?«, fragte er verwundert.
    »Jawohl«, sagte Boyer, »jedes Jahr bringen wir den größten Teil der Weihnachtsgeschenke von Dads Kunden zum Heim.«
    Morgan kicherte: »Tja, ziemlich witzig, wenn man bedenkt, wie übel alle in der Stadt über dieses Haus tratschen.«
    River sprang ab und schnappte sich eine Kiste. Boyer tat es ihm gleich. Während sie uns folgten, sah Dad Mom stirnrunzelnd an. Mom zögerte einen Moment und ging dann durch das Tor. »In Ordnung«, rief sie über die Schulter zurück. »Aber nur bis zur vorderen Türstufe. Auch das wird die Nonnen wahrscheinlich schon in helle Aufregung versetzen. Doch der Anblick von ein paar hübschen jungen Männern wird den jungen Damen, die aus den Fenstern schauen, eine weihnachtliche Freude bereiten.«
    Carl hielt unterdessen die Pferde im Zaum. Als Morgan keine Anstalten machte, den Schlitten zu verlassen, rief River ihm zu: »Kommst du nicht mit, um die Weihnachtsfreude der jungen Damen noch zu steigern?«
    Morgan zuckte mit den Achseln und sagte dann: »Warum nicht?«
    Er sprang ab und holte eine Kiste vom Schlitten herunter. Er eilte uns nach und schmetterte eine weitere Runde von We wish you a Merry Christmas .

24
     
    E INES ABENDS IM J ANUAR gab Boyer seine Absicht bekannt, die ehemalige Bergarbeiterhütte am See zu renovieren. Niemand am Tisch schien überrascht zu sein. Bis auf mich.
    »Wozu?«, fragte ich.
    »Um darin zu wohnen«, sagte er. »Ich ziehe hier aus.«
    »Nein!«, platzte es aus mir heraus. Ich warf rasch einen Blick zu River hinüber und überlegte, wie kindisch ich wohl geklungen hatte.
    Boyer ignorierte meinen Ausbruch. »Ich bin fast vierundzwanzig, es ist an der Zeit, dass ich meine eigene Wohnung habe. Es sind weniger als zehn Minuten zu Fuß, Natalie. Außerdem ist es ja nicht so, dass du mich nicht mehr jeden Tag siehst.«
    Bei dem Gedanken, dass Boyer nicht oben in seinem Zimmer auf dem Dachboden wäre, verspürte ich eine plötzliche Leere. Doch für den Rest des Winters wurde ich in die Pläne einbezogen, die an unserem Küchentisch ausgearbeitet wurden. Im Frühling schloss ich mich, zusammen mit meinen Brüdern, Dad und River den Arbeitsbienen an. Nach der Schule und an den Wochenenden gab es mehr als genug Zusatzkräfte, die sich mit Hämmern und Sägen zu schaffen machten. Bald waren an die eine Seite der Blockhütte ein kleines Schlafzimmer und ein Bad angebaut.
    Im April zog Boyer ein. An dem Tag, an dem wir mit der letzten Ladung hinausfuhren, saß ich im Führerhaus des Pick-ups zwischen ihm und River. Der alte Apfelbaum, der so nahe an der Hütte stand, sah aus wie ein diensthabender Wachsoldat. Als ich ein Kind war, hätte es nicht viel bedurft, um mich davon zu überzeugen, dass diese moosbedeckte Behausung irgendeiner Hexe oder einem Zauberer aus meinen Gutenachtmärchen gehörte. Aber jetzt war sie Boyers Zuhause, inzwischen genauso gemütlich wie sein Refugium oben im Speicher.
    Als wir zur Tür gingen, stieg ein Rabenschwarm zum Himmel auf, verärgert über die Störung.
    »Corvidae?«, fragte Boyer mich herausfordernd.
    »Das ist leicht«, spottete ich. Ich buchstabierte das Wort und sagte dann: »Familie der Rabenvögel.«
    Boyer schob die Hand in seine Jeanstasche und zog ein Zehncentstück hervor.
    »Dafür bin ich zu alt«, sagte ich, weil es mir plötzlich peinlich war, vor River dieses Kinderspiel zu spielen.
    Boyer warf mir die Silbermünze zu. »Zu gut vielleicht«, sagte er, »aber nicht zu alt. Niemals zu alt.«
    River blickte zum Himmel zu den Raben, die über den See flogen. »Sieben Raben für ein Geheimnis, das niemals verraten werden darf«, sagte er, die letzte Zeile

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