Mindstar 02 - Das Mord-Paradigma
alle an ihrem Platz. Dunkelheit senkte sich herab und verschluckte alle Farbschattierungen. Am Nachthimmel draußen vor dem Fenster zogen die Sterne funkelnde Bögen übers Firmament und gingen mal flackernd an und mal wieder aus, wenn Wolkendecken überschallschnell vorbeiwirbelten.
Sehr gut, versetzte Greg trocken, aber kannst du auch wieder anhalten?
Die schwindelerregende Bewegung wurde langsamer. Stoppte. Es war Abenddämmerung, und ein dünner Regen rieselte aus trostlosen Wolken. Das Zimmer war verlassen, und die Plastikabdeckungen schimmerten in schmutzigem Indigo.
Meine Fresse, sagte Eleanor. Ihre Gedanken wirkten benommen, fast schwindelig. Ich habe es geschafft, Greg! Die Vergangenheit!
Yeah. Gestern abend, denke ich. Wie hältst du es aus?
Okay. Da ist ein Druckgefühl. Im Innern, verstehst du? Als würde ich gegen etwas drücken.
Falls es je anstrengend wird, hör auf. Sofort, Eleanor! Versuch nicht mit Gewalt durchzubrechen.
Okay.
Schon irgendeine Spur von Alternativen?
Gott, nein, Greg. Es ist so schon schwer genug.
Hab nur gefragt. Kehren wir jetzt in die Nacht des Mordes zurück. Vor einer Woche, Donnerstagnacht, Mitternacht, oder so dicht heran, wie wir es schaffen.
In Ordnung.
Das Zimmer geriet rings um ihn wieder in Fahrt.
Sie hielten ein paarmal an und sahen zu, wie Denzil oder Nicolette hereinkam und mit Handsensoren über die Möbel und den Teppich fuhr.
Gelegentlich tüteten sie einen Gegenstand ein und brachten ihn hinaus.
Der vergangene Freitag strotzte vor verschwommener Aktivität; zuzeiten drängten sich sieben oder acht Personen gleichzeitig ins Zimmer und sausten darin herum. Die Plastikabdeckungen zerknitterten, schrumpften dahin, verschwanden, gaben Stühle und Tische wieder frei.
Die Nacht brach herein.
Hier sind wir, sagte Eleanor.
Er spürte die Spannung und die Anstrengung in ihrem Bewußtsein; die Gedanken waren so straff angezogen wie die Sehnen eines Athleten.
Nicholas Beswick saß am Schreibtisch, ganz versunken in dichte Saphirgraphiken, die durch den Kubus des Terminals liefen. Unregelmäßiges Mondlicht fiel über die Landschaft draußen.
Du hattest recht, was Nicholas angeht, meinte Eleanor. Man muß wirklich auf ihn achtgeben, nicht wahr?
Yeah. Ich mag ihn.
Ich auch.
Jetzt müßte ungefähr der Zeitpunkt sein, an dem Rosette und Isabel loslatschen, um Kitchener zu besuchen. Nähere dich bitte dem Nachttisch; wir werfen mal einen Blick auf die Uhr.
Der Wahrnehmungspunkt senkte sich herab, bis er auf einer Höhe mit Nicholas’ Kopf war. Verblüffung breitete sich auf dessen Gesicht aus, und die Augen weiteten sich.
Er sieht mich!
Greg spürte Eleanors eigene erschrockenen Gedanken, als Nicholas den Mund öffnete und wohl nach Luft schnappte. Kein Geräusch war zu hören. Beunruhigt wollte sich Eleanor zurückziehen; der Lauf der Bilder wurde langsamer. Die Graphiken im Kubus bewegten sich immer träger, bis sie schließlich erstarrten.
Genau dazu sind wir eigentlich hergekommen, ermahnte Greg sie.
Tut mir leid.
Als die Szenerie sich wieder belebte, schwebte Eleanor direkt über Nicholas. Der junge Mann warf sich heftig auf dem Stuhl herum und sah sich um. Einen Augenblick später schien sich seine Anspannung wieder zu legen; er rieb sich die Augen und tippte dann einen Code ins Terminal. Dann wurde er steif und drehte langsam den Kopf, bis er zur Tür blickte.
Das ist es, sagte Greg. Versuche bitte, Rosette und Isabel bis zu Kitcheners Schlafzimmer zu folgen, okay?
Ich tue mein Bestes.
Nicholas war zur Tür hinübergegangen. Greg sah zu, wie er den Mut zusammenraffte, um den Griff zu drehen.
Sobald die Tür offen stand, schwebte Eleanor hindurch, hielt sich dicht unter der Decke und blickte abwärts. Rosette trug einen grünen Seidenkimono, Isabel nur BH und Jeans; ihre schiere Sexualität war atemberaubend.
Rosette sagte ein paar Worte zu Nicholas; dann ließen die beiden Mädchen ihn stehen und folgten weiter dem düsteren Korridor. Greg gefiel das verletzte Gesicht, das Nicholas machte, kein bißchen. Der Junge war viel zu jung dafür, daß ihm jemand so grausam das Herz brach. Aber andererseits, wann war man dafür schon im richtigen Alter?
Der arme Junge, meinte Eleanor.
Kein Vertun.
Die beiden Mädchen flüsterten verstohlen miteinander, während sie zu Kitcheners Zimmer gingen. Beide wirkten schuldbewußt.
Hoffentlich erstickt ihr daran, wünschte sich Greg insgeheim.
Kitchener trug einen weißen Baumwollpyjama. Er begrüßte
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