Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
vielleicht so sagen?«
Der andere winkte eilig ab. »Nein! Nein! Natürlich nicht. Es kann nur sein, dass ihr Plan nicht ganz aufgeht.«
Albert starrte ihn an. »Sie will ihn aber haben! Sie will sie alle . Bis heute Nacht!«, sagte er hartnäckig.
»Ja, ja, heute Nacht«, brummte der Vizeratsvorsitzende. Dann sah er Albert schief von unten an. »Und wenn wir das nicht schaffen?«
Albert holte tief Luft. »Natürlich werdet ihr das schaffen! Ihr müsst!« Seine Stimme klang verzweifelt. »Sonst ... sonst gibt’s Ärger!«
»Der für dich größer sein wird als für mich«, sagte der Mann mit einem verschlagenen Lächeln. »Immerhin bist du jetzt ihre rechte Hand, nicht wahr?«
Albert sah den Mann verwirrt an.
»Na ja«, sagte der, » du hast jetzt die Verantwortung. Wir unterstehen ja nur deinen Befehlen! Und die schwarze Hexe ist nicht sehr geduldig mit ihren direkten Untergebenen, wenn ich mich recht erinnere.«
Albert betrachtete seine neuen schwarzen Stiefel.
Der Mann klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. »Kopf hoch, Albert! Nimm’s nicht so schwer!«
Albert dachte nach. Es dauerte sehr lange. Dann straffte er sich und sah dem Mann wütend in die Augen. »Weißt du, ich glaube, es gibt einen Grund, warum sie wollte, dass ich jetzt ihre rechte Hand bin und nicht du!«
Der Mann nickte mit einem lässigen Grinsen. »Tja, den würde ich ja gerne mal erfahren!«
Albert holte tief Luft. »Mir ... mir kann sie vertrauen!«
»Oh, großartig! Immerhin. Das könnte es sein. An deiner Intelligenz kann es ja nicht liegen!«
Alberts Gesicht war nun wutverzerrt.
Der Mann lächelte. »Ich frage mich schon lange, warum sie einen Idioten wie dich zu ihrem persönlichen Assistenten gemacht hat. Entweder hat sie selbst den Verstand verloren oder du hast uns immer etwas vorgespielt.«
Er hielt kurz inne und genoss Alberts Schweigen. »Weißt du, es ist ganz einfach. Sollten uns Thaddäus und die Kinder durch die Lappen gehen, ist das deine Schuld. Deine Schuld ganz allein.« Er ging nahe an Albert heran. »Wenn ich aber Thaddäus und die Kinder aufspüre und zu ihr bringe, dann ist das mein Verdienst. Mein persönlicher Verdienst. Und dann, glaube mir, dann wirst du nicht mehr die Nummer eins sein. Dann wird es einen geben, der dich ersetzt, und dann wirst du spüren, wie es ist, herabgesetzt zu werden!« Der Mann sah Albert mit einem Grinsen an. »Man sieht sich immer zweimal!« Er tippte an die Krempe seines Hutes, drehte sich um und ging mit schnellen Schritten die dunkle Gasse hinab.
Albert starrte dem Mann nach und schickte ihm einen leisen Fluch hinterher. Dann drückte er sich enger an die Mauer und blickte sich suchend um, wobei er zum Glück vergaß, nach oben zu sehen.
Nachdem er glaubte, alleine zu sein, zog er mit zitternden Fingern sein Portemonnaie aus der Manteltasche. Er klappte es auf und entnahm ihm ein völlig verwittertes Stück Papier. Es war eine graue Karte! Mira hatte Mühe, das Gleichgewicht zu halten, und schlug aufgeregt mit den Flügeln. Doch Albert bemerkte sie nicht. Er hielt die Karte dicht vor sein Gesicht. » Lies mich! «, nuschelte er und blies auf das Papier.
13. Kapitel
in dem Mira einiges über Politik lernt
Die Buchstaben auf der Visitenkarte blitzten auf. Ein kleines blaues Licht in der Kälte. Dann schwebten sie hoch, vielleicht vier Finger breit über dem Papier. Das Licht bündelte sich zu einem schwach glimmenden Punkt, aus dem sich langsam ein kleines, blass leuchtendes Wesen formte.
Das Silbermännchen! Es sah erbarmungswürdig aus. Ein durchscheinender alter Trenchcoat schlackerte um seinen Körper und aus dem Mantel hing eine blau schimmernde, schief gebundene Krawatte. Müde, traurige Augen mit tiefen dunklen Ringen lugten unter einem zerknautschten Hut hervor, den das Geistwesen nun nicht einmal lupfte. Es tippte nur lustlos an die Krempe und auch die gewohnte Verbeugung deutete es nur an. Als es den Kopf wieder hob, sah es verdrossen aus. Dicke Furchen hatten sich von der Nase zu den Mundwinkeln gegraben und seine Stirn lag in unzähligen Falten. Das Licht, das von ihm ausging, war ganz schwach, so als ob es jeden Moment erlöschen könnte.
Mira zog sich das Herz zusammen. Es lebte! Das Silbermännchen lebte! Aber was war nur mit ihm geschehen? Es war immer schon ganz durchscheinend gewesen, doch nun sah es so aus, als wäre alle Farbe aus seiner Gestalt gewichen.
Albert legte die Karte mit dem Silbermännchen auf den Mauervorsprung neben sich, und
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