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Mira und der weiße Drache (German Edition)

Mira und der weiße Drache (German Edition)

Titel: Mira und der weiße Drache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Ruile
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Brücke umrahmte ein hölzernes Rosenspalier.
    Mira überquerte die Brücke, schlüpfte durch den Rosenbogen hindurch und betrat den entzückendsten Garten, den sie je gesehen hatte. Er war klein und wurde von einer alten, efeuumrankten Mauer aus Backstein begrenzt, hinter der Mira die Häuser der Altstadt erkennen konnte. Neben der Mauer wuchs eine alte Ulme, die noch ein dichtes Blätterdach besaß. Davor waren Kräuter angepflanzt, die bereits verblüht waren und ihre Stängel in die Sonne reckten. Drei weiße Rosenkugeln waren in die Erde gesteckt, und den Mittelpunkt des Gartens bildete ein hübscher Brunnen, aus dem das Wasser aufstieg und von einer Schale in die andere fiel. Von dem lustigen Plätschern angezogen, wollte Mira schon die Hand in den Wasserlauf strecken. Doch kurz bevor sie beim Brunnen angelangt war, stolperte sie. »Aua, pass doch auf!«, hörte sie plötzlich eine zornige Stimme. Sie sah nach unten und bemerkte zu ihrer Überraschung, dass sie gegen einen steinernen Zwerg gestoßen war, der vor dem Brunnen stand. Verblüfft starrte sie ihn an.
    »Schau mich nicht so an, ich weiß auch so, dass ich hässlich bin«, sagte der Zwerg griesgrämig.
    »Der Zwerg sieht tatsächlich scheußlich aus«, dachte Mira, als sie ihn genauer betrachtete. Er hatte eine alberne, viel zu große Zipfelmütze auf und trug eine klobige Laterne. Sein Gesicht war breit und in der Mitte prangte eine große Knollennase. Die Mundwinkel waren nach unten gezogen und seine Stirn lag in Falten. »Gut«, dachte Mira, »dass er wenigstens nicht angemalt ist.« Das sagte sie aber natürlich nicht laut. »Nein, nein«, erwiderte sie stattdessen höflich, »ich starre Sie nur an, weil Sie der erste sprechende Zwerg sind, dem ich begegne.«
    »So!«, rief der Zwerg unfreundlich und legte seine Stirn in noch mehr Falten. »Dies ist ein Zauberergarten, was erwartest du da anderes?« Mira zog die Schultern hoch. Da vernahm sie plötzlich ein seltsames Gemurmel, das aus dem plätschernden Wasser des Brunnens aufstieg. »Mach dir nichts draus, er ist immer so schlecht gelaunt«, sagte die murmelnde Stimme. »Papperlapapp!«, giftete der Zwerg. »Eigentlich bin ich eine Frohnatur. Ich wünschte nur, man könnte dieses Ding da endlich abstellen.« Mira sah fragend zum Brunnen und dann wieder zurück zum Zwerg. »Ja«, sagte er weinerlich. »Den ganzen Tag dieses Gequatsche, glaub mir, es ist nicht zum Aushalten.«
    »Oh«, sprudelte der Brunnen fröhlich, »unser kleiner Freund hat einfach vergessen, dem Leben seine positiven und schönen Seiten abzugewinnen.« Dann plötzlich klang das Gemurmel des Brunnens wie sprudelnder Gesang.
    »Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heitren Stunden nur!« Der Zwerg verzog gequält das Gesicht und blickte wieder zu Mira. »Du verstehst hoffentlich, was ich meine?«
    Mira kratzte sich an der Stirn. Der Brunnen schien tatsächlich etwas anstrengend zu sein. Er hörte nun auf zu singen, sprach aber dann weiter in heiterem Geplätscher. »Das Leben ist ein ewiges Geben und Nehmen, wer wüsste das besser als ich?«
    »Würdest du mir vielleicht einen Gefallen tun?«, fragte der Zwerg Mira leise. »Wärst du so freundlich und würdest mich von hier wegbringen?« Mira nickte und nahm den Zwerg in die Hand. Er war schwerer, als sie es sich vorgestellt hatte. »Und wo soll ich dich hinstellen?«, fragte sie. In diesem Moment fing der Brunnen wieder an zu singen. »Nehmt Abschied Brüder, ungewiss ist alle Wiederkehr ...«
    »Es ist mir egal. Du kannst mich neben den Komposthaufen stellen oder neben die stinkigste Mülltonne, ich will nur diesen Brunnen nicht mehr hören müssen!«, sagte der Zwerg grimmig. Mira sah sich in dem Garten um. Am hinteren Ende der Backsteinmauer war ein kleiner Vorsprung. Sie ging mit dem Zwerg dorthin, stellte ihn darauf und lehnte ihn vorsichtig gegen die rückwärtige Wand. Der Zwerg räusperte sich. »Würdest du vielleicht noch die zwei Steinchen unter meinem rechten Fuß wegräumen? Im Laufe der Jahre könnten sie etwas unbequem werden.«
    »Aber natürlich«, sagte Mira, nahm den Zwerg in die eine Hand und wischte mit der anderen ein paar Kiesel unter ihm weg.
    »Vielen Dank!«, murmelte der Zwerg, als er wieder stand. Beide lauschten dem Brunnen, der während der ganzen Zeit sein Abschiedslied gesungen hatte. Von hier aus konnte man allerdings keinen Gesang, sondern nur noch leises Geplätscher vernehmen. Der Zwerg atmete auf. »So ist es viel besser. Ich hatte schon

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