Mirad 02 - Der König im König
Anblick des Fischerbootes mit seinen steilen Seitenwänden aufdrängte, war der eines schwimmenden Kastens. Als er kurz darauf erlebte, wie sich die dreieckigen Sprietsegel damit abmühten, festigte sich dieses Gefühl. Leider war der Goldene Otter das Beste, was die Flotte von Ostgard nach dem Walzensturm hergegeben hatte. Trotz hingebungsvollen Einsatzes des gutmütigen Kapitäns und seiner zwei Söhne nahm die Reise von der ostrichischen Hauptstadt nach Birkehave zwölf geschlagene Tage in Anspruch.
Während dieser Zeit fand Ergil hinreichend Gelegenheit, sich ganz seinen Schuldgefühlen zu widmen. Möglicherweise lag Kaguan im Sterben, aber trotzdem waren für Magos die Chancen, das Schwert Schmerz in seine Gewalt zu bringen, immer noch größer als für die Gemeinschaft des Lichts. Mehr noch als dieser Misserfolg quälte Ergil das Empfinden, sein makelloses Gewand der Rechtschaffenheit befleckt zu haben. Denn nicht nur die Toten und Verletzten von Ostgard drückten auf sein Gewissen, sondern auch das Bewusstsein, sich der Gnade eines skrupellosen Machthabers ausgeliefert zu haben. Auf Godebars Befehl hin war Tantabors Vater unschuldig enthauptet worden. Und nur auf Godebars Befehl hin konnte jetzt die Jagd nach dem schwarzen Schwert fortgesetzt werden. Dieser Gedanke lag Ergil besonders schwer im Magen.
Popi versuchte nach Kräften die Könige aufzumuntern. Bei Twikus gelang ihm dies erheblich besser. Der konnte sich immerhin zugute halten, mit einem einzigen Schuss Ostgard vor einer noch größeren Katastrophe bewahrt zu haben. Die Unterstützung durch den gewissenlosen Monarchen nahm Twikus als notwendiges Übel. Er schmiedete sogar schon neue Pläne.
Wenn er auch nicht zu hoffen wagte, Kaguan tödlich verletzt zu haben, durfte er zumindest von einer erheblichen Schwächung des Zoforoths ausgehen. Vom Wachtturm in Ostgard aus hatte der Chamäleone jedenfalls mehr tot als lebendig ausgesehen. Möglicherweise mussten also nicht nur die Jäger eine Verzögerung in Kauf nehmen, sondern auch der Gejagte. Vielleicht war Kaguan sogar viel zu geschwächt, um sein Vorhaben zu verwirklichen. Schmerz musste neu geschmiedet werden und Dormund hegte keinen Zweifel am Widerstand der Bartarin. Ob Kaguan noch in der Lage war, seinen Plan gewaltsam zu erzwingen? Leider hatte Schekira nichts zur Klärung dieser Fragen beitragen können. Sie war – vom Gestank Ostgards bereits ermattet – während der dramatischen Ereignisse am Hafendamm vom Sturm weit nach Westen abgedrängt worden und hatte die Geschehnisse auf dem Schoner nicht einmal aus der Ferne verfolgt.
Die Gemeinschaft des Lichts gewann neue Zuversicht, als sie in der Grenzstadt Birkehave eintraf. Nach Vorlage des königlichen Freibriefes war der anfangs eher einsilbige Kommandant der örtlichen Garnison fast geschwätzig geworden. Höchstpersönlich begleitete er die Abgesandten aus Soodland zum Hafen, um ihnen jedwede Unterstützung angedeihen zu lassen. Zwölf hochgeschossene Recken seiner Leibgarde waren ebenfalls mit von der Partie.
Der Hafenmeister bestätigte, dass erst vor drei Tagen ein pandorischer Zweimaster am Kai festgemacht hatte. Der Kapitän hatte sich nach einem Heiler erkundigt. Wenige Stunden später war das Schiff wieder ausgelaufen.
Dann habe ich Kaguan doch schwerer erwischt, freute sich Twikus. Sein Bruder kontrollierte gerade den gemeinsamen Körper.
Fragt sich nur, ob und wie schnell er wieder auf die Beine kommt. Ergils Gedankenstimme klang alles andere als siegessicher.
Das werden wir bald herausfinden, du Nörgelunke.
Keine Unvorsichtigkeiten, Twikus! Wir sollten die Alte Gabe vorerst ruhen lassen, um den Zoforoth nicht zu warnen. Sobald wir weit genug aufgeholt haben, kann Kira den pandorischen Schoner für uns auskundschaften.
Erst mal brauchen wir selber ein Schiff. Lass dir bloß nicht wieder so einen schwimmenden Sarg andrehen.
Eingedenk der insgesamt guten Erfahrungen mit der Meerschaumkönigin fiel den Brüdern sogleich ein Zweimasttopsegelschoner auf, der jenem Segler, mit dem Kaguan geflohen war, ziemlich ähnlich sah. Weil das schlanke Schiff einen ostrichischen Besitzer hatte, trug es den ungemein männlichen Namen König Gode – es war also nach Godebars Vater benannt.
Als der Garnisonskommandant darum ersuchte, an Bord kommen zu dürfen, entdeckte Ergil an Deck ein bekanntes Gesicht. Es gehörte einem der Männer aus Tantabors wilder Horde. Die Freude war groß, als man unter Deck die fünf Krodibos fand, und
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