Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
Sündenböcken Ergil und Twikus anlastete. »Heißt das«, sprach er leise und verzagt, »das Alte Volk wird für immer aus Mirad verschwunden bleiben?«
Baroq-abbirim sah ihn aus schmerzerfüllter Miene an. »Über diese Frage muss der ›Rat des Lichts‹ verhandeln, in dem die Vertreter der Auserwählten und der übrigen Bewohner von Saphira über die Geschicke unseres Volkes entscheiden. Ich kann nur eine Empfehlung aussprechen.«
Ergil ballte die Fäuste. »Die Zeit zerrinnt mir zwischen den Fingern, Großvater! Magos und Wikander haben den Samen der Zwietracht ins Herzland gesät, der auch nach ihrem Abtritt weiterkeimt. Die Rückkehr der Sirilim könnte ein Zeichen sein, das die Menschen zur Besinnung bringt.«
»Du bist jung, mein Sohn. Und junge Menschen lassen sich leicht von Träumen und Schwärmereien blenden. Aber ich trage die Verantwortung für die Letzten unseres Geschlechts und muss gründlich abwägen. Du hast mir selbst gesagt, dass Magos nach Mirad zurückkehren könnte. Wenn es dazu käme, würde sich sein Zorn zuallererst gegen die Sirilim richten. Wir mögen zwar stark im Kampf sein, doch wir waren nie ein kriegerisches Volk. Er würde uns endgültig vernichten.«
»Aber noch ist er verbannt. Der Einzige, der das Versteck des Schwertes Schmerz kennt, sitzt in meinem Kerker. Die Schönen könnten mithelfen, die Welt wieder zu dem zu machen, was sie vor Wikanders Aufstieg war. Sofern ich das Lebenselixier herstellen kann. Ich hatte so gehofft, in Saphira einige Ginkgofrüchte zu finden.«
Der Sirilo seufzte. »Damit kann ich dir leider nicht dienen. Aber vielleicht gibt dir etwas anderes Hoffnung. Komm und lass es mich dir zeigen.«
Baroq-abbirim erhob sich und lief zu dem großen Fenster, das wie ein Auge geformt war. Er deutete nach unten. »Das da unten ist der Palastgarten. Siehst du das kleine Wiesenrund auf der linken Seite?«
Ergil spürte, wie sich sämtliche Härchen auf seiner Haut aufrichteten. »Ja«, antwortete er leise.
»Was da in der Mitte steht, ist ein Goldfruchtbaum.«
Der junge König starrte den alten ungläubig an. »Aber hast du nicht gesagt…«
»Ich erwähnte«, unterbrach ihn sein Großvater geduldig, »dass fast alle Ginkgos von Susan eingegangen und zudem die unsrigen seit langem unfruchtbar sind. Aber ich habe nicht behauptet, sie seien restlos ausgestorben. Dieser eine dort unten ist uns noch geblieben.«
»Ist er…?« Ergil wagte die alles entscheidende Frage nicht auszusprechen.
Baroq-abbirim nickte seufzend. »Ja, mein Sohn. Er ist gesund, stark und er ist männlich. Jazzar-siril hat ihn einst gepflanzt. Ebenso wie sein perfektes Gegenstück in Schilmao.«
Jazzar-fajim lief ungeduldig vor dem Turm der Heiligen hin und her. Der Himmel war inzwischen schwarz. Immer wieder zuckten Blitze daraus hervor und fast unmittelbar danach knallten Donnerschläge, als wollte die ganze Welt zerreißen. Er hatte Mühe, sich gegen die Sturmböen anzustemmen. Einige besaßen zweifellos Orkanstärke. Zudem spürte er Wassertropfen auf der Haut, war sich aber nicht sicher, ob es bereits Regen oder nur aufgewirbelte Gischt vom Sternenspiegel war.
Eben hatte Schekira ihn gewarnt. Wenn die Mondwolke nicht sofort aufstieg, dann würde es sie bald nicht mehr geben.
»Flieg schon voraus und mache alles bereit«, hatte er geantwortet.
»Es ist alles bereit, mein Freund. Du kannst dich gerne davon überzeugen«, antwortete die Elvin zwar ruhig, aber keineswegs entspannt.
»Ich kann Ergil nicht im Stich lassen. Wenn er aus der Zwischenwelt zurückkehrt, wird er vielleicht nicht einmal aus eigener Kraft laufen können. Dann muss ihn jemand tragen. Willst du das übernehmen, kleine Schwester?«
»Das ist unfair, Jazzar-fajim.«
»Ich weiß.«
»Dann sehen wir uns also später.«
»Sofern Ergil und ich nicht vom Blitz erschlagen werden.«
»Du bist unmöglich.« Die Elvin schwirrte davon.
Wieder stapfte der Sirilo auf den Stufen des Turmes auf und ab. So verging die Zeit, und die ihm ins Gesicht stiebenden Tropfen ließen sich immer schwerer als Regen verleugnen.
Mit einem Mal erschien ein grünes Flimmern in dem weiten Bogen des Portals. Jazzar-fajim rannte die Treppe hinauf. Ganz in der Nähe schoss ein Blitz in den Boden und gleichzeitig mit dem Donner sprang die Tür des Turmes auf.
Dahinter gähnte eine schwarze Leere, die den Sirilo zurückschrecken ließ. Selbst als ein weiterer Blitz die Szenerie hell erleuchtete, konnte er nicht erkennen, was sich in
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