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Mirage: Roman (German Edition)

Mirage: Roman (German Edition)

Titel: Mirage: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Ruff
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blieb bis tief in die Nacht wach und dachte nach.
    Faruk hatte ihn an dem Abend zu Hause angerufen und vorgewarnt: »Idris ist wegen Rumsfelds Selbstmord ziemlich verstimmt. Er macht dich für die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen verantwortlich, die die Sache überhaupt erst ermöglicht hätten, und er verlangt, dass du bis zur vollständigen Aufklärung des Falls suspendiert wirst.«
    Auch Mustafa war über den Selbstmord verstimmt. Dennoch konnte er sich eine Bemerkung nicht verkneifen: »Idris tut es nur leid, dass er nicht dazu gekommen ist, den Mann zu foltern und selbst zu töten. Selbst wenn es meine Schuld ist, kann ich nicht behaupten, dass ich bedauern würde, ihm den Spaß verdorben zu haben.«
    »Du kannst es bedauern oder nicht, das ist deine Sache«, sagte Faruk. »Aber ich hoffe, das, was du in Amerika herausgefunden hast, reicht aus, um diesen Patzer aufzuwiegen. Mein Einfluss beim Präsidenten hat seine Grenzen, und Idris und Senator bin Laden wollen Blut sehen.«
    »Keine Sorge«, sagte Mustafa. »Ich glaube, der Präsident wird meinen Bericht höchst erhellend finden.«
    Eine Entscheidung stand für ihn noch aus: Was sollte er mit den Artefakten machen, die David Koresh ihm überlassen hatte – insbesondere mit der zweiten Geheimdienstakte? Mustafas erster Impuls war, sie zu vernichten und zu vergessen, dass er sie je gesehen hatte. Aber wenn er sich ins Gedächtnis rief, wie sich Samir in letzter Zeit benommen hatte, war der Gedanke nicht abwegig, dass Gott ihm die Akte möglicherweise nicht ohne Grund geschickt hatte.
    Er dachte über Idris nach, der bereits mit einer Anordnung des Präsidenten in Händen in al-Kharj aufgetaucht war. Es gab jede Menge Möglichkeiten, wie Idris davon erfahren haben konnte, dass sie mit einem Gefangenen zurückkamen, aber was, wenn er durch jemanden aus Mustafas unmittelbarer Umgebung vorgewarnt worden war? Und was, wenn Idris auch von ihrer Expedition nach Sadr-Stadt durch diesen Jemand im Voraus gewusst hatte? Und dann war da noch die Sache mit dem Überfall auf dem Jefferson Davis Pike. Laut Amal hatte Rumsfeld behauptet, seine Milizen hätten durch einen Informanten in der Grünen Zone von der geplanten Operation erfahren. Aber wer hatte es dem Informanten erzählt und wer ebenjener Person, die es ihm erzählt hatte?
    Bist du krank, Samir?
    Irgendwann schlief Mustafa ein. Er wurde vom Morgenruf des Muezzin geweckt und fand im Erdgeschoss des Krankenhauses einen Gebetsraum. An diesem Morgen sprach er einige zusätzliche Gebete: für seinen Vater, für Oberst Yunus, für Amal und ihren Sohn, und für Donald Rumsfeld, der, obwohl ein Feind, eigentlich Anspruch auf den Schutz gehabt hätte, der jedem Kriegsgefangenen zustand. Mustafa spielte mit dem Gedanken, auch für Samir zu beten, aber seine Verdachtsmomente hatten ihn irregemacht, weshalb er Gott nur bat, ihm Weisheit zu schenken.
    Als er wieder nach oben ging, war sein Vater wach, saß aufrecht im Bett und schaute aus dem Fenster. Mustafa hieltin der Tür inne, bekümmert durch die offenbare Hinfälligkeit seines Vaters, die das Morgenlicht noch zu unterstreichen schien.
    Sein Vater sah ihn dort stehen und stieß einen leisen Knurrlaut der Verärgerung aus. »Tot bin ich noch nicht«, sagte er.
    »Das freut mich«, sagte Mustafa. Er setzte sich auf die Bettkante. »Ich könnte einen Rat gebrauchen.« Sein Vater lachte, und Mustafa sagte: »Was denn?«
    »Nichts«, sagte Abu Mustafa. »Ich bin froh, wenn ich behilflich sein kann, aber ich glaube, befolgt hast du meinen Rat zuletzt mit acht Jahren.« Ein weiteres Lachen. »Schon gut, schieß los. Was ist das Problem?«
    Mustafa sagte es einfach: »Ich glaube, Samir ist homosexuell.«
    Sein Vater sah ihn fragend an, wartete dann ab, ob noch mehr kam. Schließlich sagte Abu Mustafa: »Na ja, so eine große Überraschung ist das nicht. Im Ernst, wenn man es sich überlegt, erklärt es ein paar Dinge.«
    »Was meinst du damit?«
    »Erinnerst du dich, wie es war, als Samir sich scheiden ließ?«, sagte Abu Mustafa. »Ich fand es damals auffällig, wie bereitwillig er seine Seitensprünge beichtete. An seiner Stelle wäre ich, glaube ich, etwas schamhafter gewesen und diskreter – es sei denn, mir wäre es darum gegangen, Spekulationen über ein mögliches anderes Problem in meiner Ehe zuvorzukommen.«
    Mustafa blinzelte und kam sich wie ein Dummkopf vor. »Du glaubst, Najat weiß Bescheid?«
    »Die Mutter seiner Kinder? Und da fragst du noch?« Abu Mustafa

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