Miranda - so stolz und so süß (German Edition)
worden sein musste. Und plötzlich entsann sie sich.
Lady Clementina Fitzgibbon.
Nach dem Tod der Mutter und vor der Abreise des Vaters nach Italien war Miranda in ein Mädchenpensionat in Hampshire geschickt worden. Sie war sehr niedergeschlagen und ungeheuer einsam gewesen. Sie hatte wenige neue Freundinnen gefunden, aber eine von ihnen war Lady Clementina gewesen.
Clementina war zwar mehr als ein Jahr älter als sie, aber freundlich und entgegenkommend genug gewesen, um Miranda über die ersten schwierigen und verwirrenden Monate hinwegzuhelfen. Diese Liebenswürdigkeit hatte sie ihr nie vergessen.
Lady Clementina Fitzgibbon.
Miranda hob die zitternde Hand. “Aber Pendle hat doch gesagt, Lady Mainwaring wolle mich sprechen.”
Clementina lachte und ergriff Mirandas Hand. “Ich bin verheiratet. Im Herzen bin ich jedoch noch immer Clementina Fitzgibbon.”
“Ich bin so überrascht, dich hier zu sehen. Und natürlich freue ich mich. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.” Plötzlich kam ihr ein schrecklicher Gedanke. “Oh! Du gehörst doch nicht zu
den
Fitzgibbons?”
Clementina verzog das Gesicht. “Falls du damit meinst, dass ich mit Leo verwandt bin, dann gehöre ich tatsächlich zu den Fitzgibbons. Ich bin nämlich seine Schwester.”
Seine Schwester! Hätte ein Sessel in der Nähe gestanden, wäre Miranda hineingesunken.
“Können wir uns irgendwo in Ruhe unterhalten, meine Liebe?”, fragte Clementina. “Ich glaube, wir haben uns viel zu erzählen.”
“Oh, natürlich. Entschuldige!”
Miranda ging mit Clementina in den Salon.
“So”, äußerte Clementina, nachdem sie es sich in einem Sessel gemütlich gemacht hatte. “Ich finde, du solltest mir die ganze Geschichte von Anfang an erzählen. Ich weiß sehr gut, dass du nicht die sogenannte ‘dekadente Gräfin’ bist, wenngleich Leo dich dafür hält. Du bist ebenso wenig deine berüchtigte Stiefmutter, wie ich das bin. Was hat dich bloß bewogen, Leo solchen Unsinn glauben zu machen?”
Miranda setzte ein klägliches Gesicht auf. “Ich weiß nicht, wie das passiert ist!”, jammerte sie. “Ich hatte nicht vor, ihn zu belügen. Ich bin nach England gekommen und habe erwartet … ach, ich weiß nicht, was … jedenfalls nicht, ungerecht behandelt zu werden, auch wenn man mich nicht gerade mit offenen Armen aufnehmen würde. Julian hat mich geheiratet, um mich zu beschützen. Er wollte, dass ich herkomme, hier lebe und seine Angehörigen sich um mich kümmern, damit ich wieder Sicherheit habe.”
Clementina beugte sich vor. “Warst du in Italien nicht sicher?”
“Nein.” Miranda schaute ihr in die Augen und versuchte zu lächeln. “Missversteh mich nicht, Tina. Ich liebe meine Stiefmutter. Sie ist ein Schatz. Aber seit Papas Tod war ich in ihrem Haus nicht ganz sicher. Das hat Julian mir begreiflich gemacht. Er lag im Sterben und wollte mir helfen. Damit war ich einverstanden. Er hat mir gesagt, Leo würde Verständnis für mich haben, und ich könne ihm vertrauen. Nach meiner Ankunft stellte die Situation sich mir jedoch ganz anders dar. Er hält mich für meine Stiefmutter.”
“Warum hast du ihn nicht eines anderen belehrt?”
“Er war so grob, so unhöflich zu mir. Ich war der Meinung, er hätte es nicht verdient, die Wahrheit zu wissen. Ich wollte ihn bestrafen, Tina. Doch jetzt habe ich mich in meinen Lügen verstrickt. Beinahe hätte ich ihm, als er hier war, die Wahrheit gesagt. Aber dann hat er so schreckliche Dinge geäußert, und ich habe es unterlassen, ihn zu korrigieren. Er hasst mich!”
Den letzten Satz hatte Miranda in einem so tragisch klingenden Ton gesagt, dass Clementina keinen Zweifel daran hatte, dass ihre Freundin vollkommen gegensätzliche Gefühle hegte. Sie äußerte sich jedoch nicht dazu. Leo hasste Miranda ganz bestimmt nicht. Seine Gefühle waren jedoch ebenso in Aufruhr wie ihre. Clementina wollte ihr nicht erklären, er sei so verliebt in sie, dass er sich dadurch restlos verändert hatte. Das wäre nicht recht gewesen. Außerdem hätte Miranda das wahrscheinlich ohnehin nicht geglaubt.
Die beste Lösung war, dass beide die Sache klärten, wobei Clementina ein wenig nachhelfen wollte. Aber das bedeutete sorgfältiges Überlegen.
“Vielleicht hat jeder von euch Schuld?”
“Vielleicht.” Miranda seufzte und wischte sich eine Träne von der Wange. “Es tut mir leid, dass du so in diese Geschichte gezogen wurdest, Tina. Bitte, fahr nach Haus und vergiss mich. Ich nehme an, ich werde das
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