Miranda
Landry auch nur eines Blickes zu würdigen - wieder in ihr Zimmer zurück.
Trotz seiner Erschöpfung las er noch bis tief in die Nacht hinein, weil er nicht zur Ruhe kam. Er hatte das Licht in seinem Zimmer gerade erst gelöscht, als Miranda so laut zu schreien begann, dass es einen Heiligen wiederbelebt hätte. Als Landry - nur mit langen Unterhosen bekleidet - durch die Tür schoss, schrie auch das Baby.
Landry hatte erwartet, einen Trupp Indianer oder zumindest einen Puma in Mirandas Zimmer vorzufinden. Aber alles, was er sah, war Miranda, die aufrecht im Bett saß und keuchte, und das Baby, das aus lauter Sympathie mitschrie.
Wie automatisch schaukelte er auf dem Weg zu Miranda den Korb. »Ruhig, ruhig, alter Knabe«, sagte er und wünschte, das Kind hätte einen richtigen Namen, »es ist alles in Ordnung.« Kaum hatte er sich auf die Bettkante gesetzt - wie eng doch das Zimmer war -, da schlang Miranda ihm auch schon die Arme um den Hals und klammerte sich an ihn wie eine Ertrinkende. Landry zögerte und erwiderte dann die Umarmung.
»Das Schwein!«, schluchzte sie an seiner Schulter. »Dieses schreckliche Schwein war hinter mir her...«
»Schsch«, flüsterte er und strich mit den Lippen über ihre Schläfe. Es war nicht wirklich ein Kuss, sagte er sich. »Das war nur ein Traum. Dir kann nichts passieren.« Er war überrascht, wie sehr er plötzlich den Drang verspürte, Miranda gegen jedes Unheil zu beschützen. Selbst hier in Carolines Zimmer konnte er sich plötzlich nicht mehr genau an deren Gesicht erinnern. Ihr Bild schwand aus seinem Gedächtnis wie Tinte auf einem alten Brief.
Es beschämte Landry, dass er eine Frau vergaß, die er bis zum Tode und darüber hinaus zu lieben geschworen hatte, und doch war da nur noch Miranda. Sie war so warm und weich und süß. Und sie weinte an seiner Schulter.
»Schsch«, wiederholte er und strich ihr die Haare zurück. Wenigstens das Baby beruhigte sich dadurch und hickste nur noch ab un d zu.
»Meinetwegen«, jammerte Miranda auf, »musste ein Schwein sterben!«
Landry hätte fast gelacht, aber dafür war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Außerdem war er erschüttert, dass er sich nicht wie sonst an Caroline erinnern konnte. Er hielt Miranda ein Stück von sich und sah sie an. Ihr Gesicht war tränennass und im Mondlicht wunderschön.
»Ruhig«, sagte er zärtlich, »es wird andere Eber geben.«
Sie schniefte und versuchte, sich zu beruhigen. Dann sah sie Landry an. »Ich hatte solche Angst«, gestand sie, und er wusste, dass sie jetzt nicht den Traum meinte. »Ich habe so viele Geschichten gehört -«
Landry küsste sie auf die Stirn, warum, wusste er nicht genau. Es war nur ein leichter Kuss, aber er beunruhigte ihn trotzdem - einmal, weil er sich in Carolines Zimmer befand, und zum Zweiten, weil dieser Kuss weitergehende Wünsche in ihm weckte. Viel weitergehende.
»Du musst es vergessen«, sagte er zu Miranda - oder zu sich selbst. »Es bringt nichts, das Geschehene wieder und wieder zu durchleben, weder tagsüber noch nachts. Hauptsache, dir ist nichts passiert.« Landry hielt sie fest und empfand dabei etwas, das er noch nie zuvor empfunden hatte. Nicht einmal bei Caroline, der einzigen Frau, mit der er je intim gewesen war.
»Er kommt zurück. Ich sehe ihn, sobald ich die Augen schließe -«
»Nein«, unterbrach sie Landry , »das werde ich nicht zulassen.« Damit legte er sich neben sie, er in Unterwäsche, sie in einem dünnen Nachthemd, und zog sie an sich. »Schlaf jetzt, Miranda«, sagte er, auch wenn er nicht wusste, wie er ein Auge zutun sollte, »wir müssen früh aufstehen, um zur Predigt zu fahren.«
Miranda ließ es zu, dass er sie festhielt, und kuschelte sich an ihn. Für Landry war es eine Qual, er war so erregt wie ein Hengst, der eine Stute besteigen will, ohne sich auf ehrenhafte Weise befriedigen zu können. Er fragte sich, was sie wohl täte, wenn er mit ihr schlafen würde, sanft und zärtlich, aber er unternahm nichts, um das herauszufinden. Er hatte ihr sein Wort gegeben und musste es halten, auch wenn er dabei verrückt wurde.
Miranda erwachte im Morgengrauen und sah, dass Landry auf ihrer Bettkante saß. Es dauerte einen Moment, bis ihr ihr Albtraum einfiel. Sie wusste, dass
Landry sie begehrt hatte, hatte es gespürt, als sie so dicht beieinander gelegen hatten. Und doch hatte er nicht mit ihr geschlafen, vielleicht weil ihn das Zimmer zu sehr an seine erste Frau erinnerte.
Miranda streckte die Hand aus und
Weitere Kostenlose Bücher