Miss Carolines verwegener Plan
sie ihn forschend an. Er musterte sie mit unbewegter Miene. Nur seine Augen verrieten, wie sehr er litt.
Endlich sagte er: „Auf der langen Reise von Indien nach hier habe ich immer wieder versucht, mir auszumalen, was sich alles verändert haben könnte. Ich fürchtete, das Gestüt wäre aufgelöst und die Pferde verkauft worden. Ich hatte Angst, du könntest vor Verzweiflung schwermütig geworden sein. Aber niemals, niemals hätte ich erwartet, dass … dass unsere Freundschaft ein so abruptes Ende finden würde.“
Caroline hatte sich bisher nicht klargemacht, dass ihre Ehe mit Max unweigerlich eine Veränderung ihrer freundschaftlichen Verbundenheit mit Harry bedeutete. Sie würde dem Jugendfreund nie wieder so nah sein können wie früher. Eine kleine Stimme in ihr flüsterte, dass Max ihr ein noch besserer Freund sein würde als Harry. Doch das war vielleicht nur eine vergebliche Hoffnung.
Sie schluckte. „Unsere Freundschaft muss sich verändern, ja. Aber muss sie enden? Das würde mich sehr bekümmern. Fest steht, dass unsere Situation sich grundlegend geändert hat und dass wir uns mit den Fakten abfinden müssen. Wir sollten nach vorn schauen und nicht zurück.“ Damit wandte sie sich ab.
Doch Harry hielt sie an den Schultern fest. „Einen Moment noch! Ich möchte dich gern noch einmal so in den Armen halten, als wärest du mein.“ Und ehe sie auch nur reagieren konnte, hatte er sie an sich gezogen und küsste sie.
Seine Lippen auf den ihren zu spüren schockierte sie. Mit einer heftigen Bewegung stieß sie Harry von sich. „Als du das schon einmal versucht hast, habe ich dir eine Ohrfeige gegeben“, stellte sie zornig fest. „Und ich sollte es wieder tun!“
„Ich hätte es verdient, fürchte ich. Ich habe mich vergessen … Es wird nicht wieder vorkommen. Du weißt, dass ich im Allgemeinen ein Ehrenmann bin. Bitte, verzeih mir.“
An seinem Blick erkannte Caroline, dass er es ernst meinte. „Ich verzeihe dir. Und ich möchte dich nochmals daran erinnern, dass mir viel an unserer Freundschaft liegt. Lass uns ins Haus gehen. Max wartet. Und ich würde mich freuen, wenn ihr euch besser kennenlernt.“
Harry schüttelte den Kopf. „Ich könnte Ransleigh jetzt nicht höflich gegenübertreten. Vielleicht später … Ehe ich nach Indien zurückkehre, würde ich mich zumindest gern von dir verabschieden. Ich schreibe dir vorher, damit du deinen Gatten fragen kannst, ob er mit meinem Besuch einverstanden ist.“
„Danke.“ Sie nickte. „Das wäre wohl … hilfreich.“
„Hilfreich? Zum Teufel mit allem!“ Er schloss die Augen. Und Caroline begriff, dass er versuchte, sich in allen Einzelheiten auszumalen, wie sehr sein Leben sich durch ihre Ehe verändert hatte. Endlich hob er die Lider. „Auf Wiedersehen, Caroline.“ Er wirkte jetzt sehr traurig, aber insgesamt gefasster. „Ich wünsche dir alles Gute und viel Glück.“
„Das ist lieb von dir, und das wünsche ich dir auch. Auf Wiedersehen. Und grüß deine Familie von mir.“
Er verbeugte sich und ging, da er einem der Stallburschen sein Pferd überlassen hatte, in Richtung der Stallungen. Wenig später sah Caroline, wie er auf das Wäldchen zuritt, hinter dem der Besitz seines Vaters begann.
Ein Kapitel ihres Lebens war für immer geschlossen.
Sie seufzte, straffte die Schultern und begab sich mit festen Schritten zum Haus. Max würde ungeduldig auf sie warten. Sie musste ihm versichern, dass alles in Ordnung war. Zwar glaubte sie nicht, dass er eifersüchtig sein würde, aber kein Mann sah gern, wie seine Gattin sich einem anderen in die Arme warf. Erst recht nicht, wenn er wusste, dass sie jahrelang beabsichtigt hatte, diesen anderen zu heiraten. Immerhin wusste Max, dass sie ihr Ehegelübde ernst gemeint hatte. Sie würde immer zu ihm stehen und ihm nie untreu werden.
Ob sie sich umgekehrt auch darauf verlassen konnte, dass er sich nicht mit anderen Frauen vergnügen würde, wenn er erst wieder in London war? Die Kehle wurde ihr eng, als sie sich fragte, wie lange Max wohl noch bei ihr bleiben würde. Was konnte sie tun, damit er möglichst spät abreiste? Nichts vermutlich … Es war dumm, überhaupt darüber nachzudenken. Sie hatte zwei Nächte und einen Tag voller Nähe zu ihm und voll wunderbarer Liebesspiele erlebt. Daran würde sie bis an ihr Lebensende gern zurückdenken.
Caroline seufzte auf. Stündlich fühlte sie sich mehr zu ihrem sinnlichen, vor Leben sprühenden, faszinierenden Gatten hingezogen. Vielleicht
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