Miss Daisy und der Tote auf dem Wasser
hat Fosdyke wohl nur unter Mühen wach-bekommen. Rudern scheint wirklich ein sehr anstrengender Sport zu sein«, bemerkte Daisy nachdenklich. »Und essen tun die alle, als gäb’s die ganze nächste Woche nichts mehr.«
»Es hat vermutlich niemand mitbekommen, daß DeLancey
in eurem Zimmer war, nehme ich an?« Alec kam etwas ungeduldig auf das Thema zurück und folgte den anderen wieder rascher.
»Nein. Das Zimmer liegt auf der rechten Seite vom Treppenabsatz, die Jungs schlafen im gegenüberliegendem Flügel.
Auf der anderen Seite des Flurs ist ein Bad, und zwischen Tishs Zimmer und dem Schlafzimmer ihrer Eltern befindet 112
sich ein Ankleideraum. Dottie schläft gegenüber von Tante Cynthia, schräg gegenüber von Tish.«
»Und Miss Carrick hat nichts gehört?«
»Das hätte sie vielleicht, wenn DeLancey Lärm gemacht hätte, aber eigentlich hat er nur wirres Zeug gemurmelt und ein bißchen gestöhnt. Tish hatte zunächst Sorge, er sei hinter ihr her, aber er war überhaupt nicht aggressiv.«
»Andererseits hätte er gewalttätig werden können, nachdem man ihn aus eurem Zimmer entfernt hatte. Fosdyke
junior kommt leider auf meine Liste der Verdächtigen. Ach, Daisy, Daisy. Ich fürchte, unser Wochenende ist total rui-niert.«
»Wirklich sehr ärgerlich«, stimmte ihm Daisy bedauernd zu, aber sie war ganz gelassen, als sie fortfuhr: »Allerdings kann man nicht behaupten, du hättest mich nicht gewarnt, was es bedeutet, einen Polizisten zu heiraten. Und wenigstens bist du hier bei mir und nicht irgendwo in Devon oder Der-byshire.«
»Daisy, wo steckt Tish eigentlich?« fragte Rollo sorgenvoll.
Er war langsamer gegangen, um sich zu ihnen zu gesellen. Mr.
Fosdyke lief jetzt vorn bei seinem Sohn.
»Cherry hat sie und Dottie nach Hause gerudert, vor einer Ewigkeit. Sie war ganz schrecklich aufgeregt.«
Rollo runzelte die Stirn. »Ich hätte nicht gedacht, daß sie DeLancey so gerne mochte.«
Daisy blickte Alec kurz an. Sie war überzeugt, daß ihm diese Andeutung von Eifersucht auffiel. »Hat sie doch auch gar nicht, Lieber«, versicherte sie Rollo. »Aber wenn man mit-erlebt, wie jemand stirbt, kann einen das schon durchein-anderbringen, selbst wenn man den Betreffenden nicht so besonders gut leiden konnte.«
»Er hat sie schließlich andauernd belästigt!«
»Jetzt hat er ja damit aufgehört«, bemerkte Alec.
»Sicher«, sagte Rollo und machte sich gar nicht erst die Mühe, seine Zufriedenheit über diese Tatsache zu verschleiern.
Wenn der einmal Diplomat werden wollte, dachte Daisy bei 113
sich, dann mußte er unbedingt lernen, seine Gefühle zu verbergen. »Ich kann wirklich nicht behaupten, es täte mir leid«, fuhr er fort und fügte, an Alec gewandt, ernst hinzu: »Aber ich hab ihm wirklich keins übergezogen. Obwohl ich nicht leugnen kann, daß ich das mehr als einmal gewollt hätte.«
Alecs Nicken war so undurchsichtig, wie ein Nicken nur sein konnte. »Man hat mir einiges erzählt. Mir scheint, daß Sie allen Grund gehabt hätten.«
Rollo blieb plötzlich stehen, und Entsetzen spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. »Daisy, Tish ist doch nicht etwa deswegen so durcheinander, weil sie glaubt, ich hätte ihn über den Jordan befördert?«
Diese Idee war Daisy noch nicht einmal ansatzweise gekommen. »Natürlich nicht. Dazu kennt sie Sie doch viel zu gut«, sagte sie hastig und legte so viel Überzeugung wie möglich in ihre Stimme. Aber es schien durchaus denkbar, daß Tish Rollo oder Cherry oder auch beide im Verdacht hatte.
Doch Tish hatte noch einen anderen Grund, beunruhigt zu sein, erinnerte sich Daisy. Da DeLancey nunmehr tot war, wäre es nicht mehr so schlimm, wenn Rollo von seinem Ein-dringen in ihrer beider Schlafzimmer erfuhr. Also erzählte sie es ihm.
»Verstehen Sie, Tish und ich haben also genau wie Sie einen Grund, uns Vorwürfe zu machen«, erklärte sie ihm. »Hätten Sie ihn nicht rudern lassen oder hätten wir erkannt, daß er nicht betrunken war, sondern ärztliche Hilfe brauchte …«
»Mr. Fosdyke sagte, selbst wenn er nicht gerudert wäre, hätte ihn jede andere körperliche Anstrengung umgebracht.
Und er hätte auch trotz ärztlicher Hilfe sterben können.
Oder der Gehirnschaden hätte eine schwere Behinderung nach sich gezogen. Ich werd ihn bitten, noch mal mit Tish zu sprechen.« Rollo eilte dem Arzt hinterher.
Alec seufzte. »Er scheint viel zu naiv, um überhaupt lügen zu können. Was ist mit Cheringham? Wenn ich mich nicht irre, hast du gesagt,
Weitere Kostenlose Bücher