Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
bereitwillig und lange. Zwar ist ihr der Abschied heute kein bisschen leichter gefallen als letzte Woche, doch sie ist dennoch gelöster. Die Aussprache mit Tom hat sie beruhigt.
Er war schwer betroffen darüber, dass Isa ihm ihre Sorgen aus lauter Rücksicht nicht anvertraut hat. Sie erzählt uns stolz-verlegen, dass Tom spontan all ihre Kollegen eigenhändig mit den Köpfen zusammenstoßen wollte. Jetzt erwartet er jeden Tag Isas Bericht über die weiteren Entwicklungen.
»Er hat sich richtig Vorwürfe gemacht, dass er nichts gemerkt hat«, erzählt sie.
Ich weiß, Isa hat sich schwer angestrengt, ihren Kummer vor ihm zu verbergen. Trotzdem denke ich in diesem Moment, dass zwei Menschen, die ihr ganzes Leben miteinander teilen wollen, vielleicht auch unausgesprochene Sorgen erspüren können sollten. Denn eine grandiose Schauspielerin ist Isa eigentlich nicht. Ich hoffe, es liegt an der schlechten Skype-Übertragung oder Toms vorübergehender Ablenkung durch den neuen, aufregenden Job. Und nicht daran, dass unser Traumpaar sich seit Toms Umzug unheilvoll auseinanderentwickelt.
»Von deinem schnieken Stationsarzt hast du auch erzählt?«, fragt Jenny. Isa nickt. Kein Problem. »Tom freut sich, dass ich wenigstens einen Menschen auf der Station habe, mit dem ich mich gut verstehe.«
»Hat er ihn schon mal gesehen?« Jenny sieht Isa skeptisch an.
»Nein. Aber Tom wäre auch sonst bestimmt nicht eifersüchtig.« Isa lächelt.
»Das käme vielleicht darauf an, wie anschaulich man ihm Dr. Gode beschreibt«, überlegt Jenny mit einem vielsagenden Seitenblick.
Ich beeile mich, sie in einen Epilog unseres albernen Puppentheaters zu verwickeln, bevor sie an diesem etwas kritischen Punkt nachhaken kann.
Der bayrisch verkleidete PEZi-Vampir in meiner Hand erscheint mir plötzlich höchst symbolisch. Auch meine Freundinnen sind in irritierende neue Rollen geschlüpft, an deren Diskrepanz ich mich erst gewöhnen muss. Jenny als strenge Ehrlichkeitsforscherin und moralische Instanz für Isa?! Meine Welt ist gerade ziemlich verdreht.
W er erfindet endlich die Medaille mit nur einer Seite? Keine platt ins Holz gedrückte Plakette, sondern eine hell glänzende Goldmedaille, die auf beiden Seiten gleich schön ist. Die dornenlose Rose. Einmal keine Schattenseiten.
Am Montag darf ich mit Luis Berger die Abschlussuntersuchung bei Frau Frisch durchführen. Es besteht keine Notwendigkeit, sie noch länger hierzubehalten. Das ist eigentlich ein Grund, erleichtert zu sein und sich zu freuen. Doch leider wird nur Frau Frisch entlassen.
Schneewittchen geht allein nach Hause. Ohne Baby.
»Sie müssen sich doch auch entspannen, wieder ankommen, Anton ein Zimmer einrichten«, sagt Luis, der mit seinem sanften Idealismus die zweite Seite jeder Medaille erleuchten möchte. Frau Frisch nickt, was soll sie da widersprechen. Doch ihre Angst vor dem Alleinsein spüren wir alle.
Ich bin froh, dass ihr Abschlussgespräch von Dr. Al-Sayed persönlich geführt wird. Die nichts schönredet und trotzdem Hoffnung machen kann. Sie setzt sich an das Patientenbett, als hätte sie alle Zeit der Welt. Ich bekomme sie auf der Station selten zu sehen, weiß aber, dass sie fast rund um die Uhr hier ist und kann mir also denken, wie dicht ihr Arbeitspensum sein muss. Aber Frau Frisch merkt nichts davon; die Oberärztin rückt sich einen Stuhl ans Bett und spricht so ruhig und geduldig, dass es sich für die Patientin anfühlen muss, als hätte Dr. Al-Sayed heute nichts weiter zu tun, als hier bei ihr zu sitzen.
»Es wird noch einige Wochen dauern, bis Anton nach Hause darf«, beginnt die schmale Oberärztin. »Sie werden Ihre Tage bei uns verbringen, bei Ihrem Baby sein, eine Beziehung zu ihm aufbauen. Aber Sie werden ihn jeden Abend hierlassen müssen. Nachts sind Sie beide allein, er hier, Sie dort. Das ist eine schwere Belastung, nicht nur seelisch, auch körperlich.«
Frau Frisch nickt. »Aber irgendwann werde ich ihn mitnehmen«, sagt sie leise.
Dr. Al-Sayed sieht sie an, nachdenklich. »Ja, das werden Sie«, antwortet sie ruhig. »Jeden Tag, wenn Sie allein nach Hause fahren, wird es ein Tag weniger sein, den Sie auf Anton warten müssen.« Frau Frisch lächelt und ich denke, dass ich das auch können möchte. Kraft geben. So sicher und so einfach.
»Sie sind nicht allein«, erklärt die Oberärztin. »Ihnen steht eine Hebamme zu. Ein Krankenpflegedienst wird Sie unterstützen. Und ich möchte Ihnen eine psychologische Elternberatung
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