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Miss Mary und das geheime Dokument

Titel: Miss Mary und das geheime Dokument Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rose Melikan Stephanie Kramer
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fragte Déprez. »Meinen Sie die Münze?«
    »Nein, den Gasthof in Woodbridge.« Mary schilderte ihre Begegnung mit dem Wirt und seinen Kumpanen sowie deren heimlichtuerisches Gehabe, als der Name White Ladies fiel. Um wie viel verdächtiger erschien ihr nun doch alles angesichts dessen, was danach geschehen war! Selbstverständlich hatte sie gleich vermutet, etwas stimme nicht. Mittlerweile war sie jedoch fest davon überzeugt, dass der Schmugglerring von dem Gasthof aus operierte.
    »Wer den Mund hält, wenn Fremde eintreten, ist ja nicht gleich ein Halunke«, wandte Holland ein.
    »Nein, aber Halunken wissen meist genau, wann sie den Mund halten sollten«, erwiderte Déprez. »Zumindest nach meiner Erfahrung.«
    »Nach meiner auch«, pflichtete ihm Somerville bei.
    »Ich bin sicher, dass sie etwas im Schilde führten«, sagte Mary. »Ein Mann namens Tom Scott wusste am meisten, und er stammt aus Lindham. Sie sollten - oh, verzeihen Sie, Mr. Somerville. Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, wie Sie Ihre Ermittlungen zu führen haben.«
    »Keine Sorge, Miss Finch. Sie waren mir eine große Hilfe, und ich bin Ihnen sehr zu Dank verpflichtet. Tom Scott, sagten Sie? Den Kerl werde ich mir vorknöpfen.«
    »Und Sie könnten dabei Mr.Tracey erwähnen«, fügte Mary hastig hinzu. »Wenn die beiden einander kannten, wäre das sicher von Bedeutung.« Sie wandte sich bei ihren Überlegungen insbesondere an Déprez und freute sich, als er nachdenklich nickte.
    Als Erstes setzte man Mr. Hunnable beim Pfarrhaus ab, der Rest der Gruppe trennte sich vor Lindham Hall. Obgleich die Gentlemen aus Woolthorpe eingeladen waren, mit hereinzukommen, zogen sie es vor, geradewegs weiterzufahren und zu Hause zu dinieren. »Am eigenen Kaminfeuer ist es doch am schönsten, nicht wahr?«, meinte Mr. Somerville, bevor er Mary beiseitezog, um noch ein paar persönliche Worte mit ihr zu wechseln. Sie war froh darüber, denn es gab noch etwas, das auch sie ihn gern unter vier Augen fragen wollte, obgleich sie bezweifelte, dass seine Antwort ungehört bleiben konnte, da er die Angewohnheit hatte, mit außerordentlich tragender Stimme zu sprechen.
    »Ich frage mich«, begann sie, »was ich Ihrer Meinung nach jetzt tun sollte.«
    »Tun?«, fragte er stirnrunzelnd nach, »nun, ich weiß nicht genau … Sie sollten sich um die praktischen Belange keine Sorgen machen - den Schlosser und so weiter -, und ich werde mit dem alten Verwalter Ihres Onkels sprechen. Sie werden natürlich entscheiden müssen, ob Sie ihn wieder in Dienst nehmen wollen. Man kann ihn durchaus auch nur bitten, sich ein wenig um das Haus zu kümmern.«
    Mary überlegte kurz, dass sie überhaupt niemanden wieder in Dienst nehmen konnte, nickte aber dennoch. »Ja, natürlich«, doch dann stellte sie ihre Frage ganz offen. Sollte sie zumindest vorläufig in Lindham bleiben?
    Der Friedensrichter war in seliger Unwissenheit der Probleme, vor denen sie stünde, je nachdem, wie seine Antwort ausfiel. »Aber sicher«, erwiderte er gut gelaunt. »Das ist doch viel bequemer für alle, nicht? Es sei denn, Sie möchten partout nach St. Ives zurückkehren.«
    »Nein, aber...« Mary biss sich auf die Unterlippe und fragte sich, wie rasch sie die erforderlichen Mittel erhalten konnte, um ihren Aufenthalt zu verlängern. Sie könnte an Miss Marchmont und Miss Trent schreiben, ihre besonders guten Freundinnen unter den Lehrerinnen an Mrs. Bunburys Schule, aber beide hatten selbst wohl kaum Geld übrig. »Ich kann doch Mrs. Tipton wirklich nicht länger zur Last fallen«, schloss sie, als ob sie sogleich hören wollte, sie solle genau das tun.
    Mr. Somerville zeigte sich der Situation gewachsen. »Zur Last fallen?«, fragte er beschwichtigend. »Aber nicht doch! Ich bezweifle, dass Mrs.Tipton Sie gehen lassen würde - oder wenn sie es doch müsste, dann wäre die alte Dame tödlich beleidigt.«
    Das, so stimmten beide überein, sollte tunlichst vermieden werden, und Mary atmete insgeheim erleichtert auf. Ein Problem war damit gelöst; die übrigen würde sie im Augenblick nicht angehen können. Als Mr. Somerville ihr die Hand tätschelte, lächelte sie etwas unsicher.
    »Das ist also geregelt. Und es vereinfacht die ganze Sache, wenn wir uns mit der rechtlichen Seite der Angelegenheit - ich meine, mit dem Tod Ihres Onkels - befassen. Egal ob zum Guten oder zum Bösen, nichts kann geschehen, ohne dass ein Advokat seine Nase hineinsteckt - obgleich ich das eigentlich nicht sagen sollte, zumal ich selbst ein

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