Miss Winbolt ist schockiert
William war kein Mitgiftjäger. Außerdem war es möglich, dass sie auch den Rest der mitgehörten Unterhaltung mit den Deardons an jenem verhängnisvollen Tag missverstanden hatte. Bevor sie schließlich doch noch einschlief, nahm sie sich vor, ihren Irrtum bei ihrer Heimreise wieder gutzumachen.
Infolgedessen erwartete William ihn am nächsten Vormittag mit der Bitte, dass er ihr während der Fahrt in der Kutsche Gesellschaft leiste. Als er sie erstaunt ansah, stammelte sie: „M…meine Zofe möchte lieber draußen auf dem Kutschbock sitzen. Ihr wird im Wageninneren übel. Und ich würde gern weiter mit dir über das sprechen, was wir gestern herausgefunden haben“, fügte sie hinzu.
William vermied es, sie daran zu erinnern, dass sie ursprünglich so wenig Zeit wie möglich mit ihm gemeinsam hatte verbringen wollen. Sie verabschiedeten sich von Lord Winbolt in dessen Schlafzimmer, wo er wie ein Sultan in einem prächtigen Brokatmorgenmantel und mit Schlafmütze zwischen zahllosen Kissen lagerte. Nur seine Brillengläser und die Bücher und Papiere, die ihn umgaben, passten nicht ganz in die morgenländische Szenerie.
„Es war mir ein Vergnügen, Sie kennengelernt zu haben, Ashenden“, versicherte er. „Wenn Sie wieder in der Stadt sind, müssen Sie mich unbedingt besuchen.“
„Danke, Sir, das werde ich machen.“
„Ich bin überzeugt davon, dass Sie diese Valleron-Geschichte rasch aufklären, sodass Sie sich in Ruhe in Charlwood niederlassen können. Den Rest müssen sie und Emily allein miteinander ausmachen. Ich bin zu alt, um mich einzumischen.“ Emily hustete, während ihr Großvater über seine Brillengläser linste und fortfuhr: „Auf jeden Fall möchte ich, dass meine Enkelin nicht noch einmal mit dieser unsinnigen Idee anfängt, allein leben zu wollen!“
Emily seufzte und gab ihm einen Kuss. „Ich glaube, du wirst nie aufhören, dich in alles einzumischen. Trotzdem liebe ich dich. Soll ich Philip und Rosa von dir grüßen?“
„Natürlich. Aber nun lasst uns den Abschied kurz machen. Dann kommt ihr auch noch vor der Dunkelheit in Shearings an. Auf Wiedersehen, Ashenden. Geben Sie auf meine Enkelin acht, wenn sie es zulässt.“
Sie brachen sofort auf und erreichten bald die Straße nach Bath. William zeigte sich wenig gesprächig, weshalb Emily zunächst aus dem Fenster schaute und das lebhafte Treiben beobachtete. Postkutschen, Händlerkarren, Reiter und zahllose Reisekutschen drängten auf der geschäftigen Durchgangsstraße und wirbelten eine Unmenge Staub auf.
Nach einer Weile beschloss sie, dem Schweigen ein Ende zu bereiten. Sie atmete tief durch und sagte: „Wie laut es hier ist. So viele Leute …“
„London wächst schnell“, stimmte er zu, verfiel dann jedoch wieder in Schweigsamkeit. Emily versuchte es erneut.
„Wir sind nicht weit von Brentford entfernt“, stellte sie betont heiter fest. „Dann kommt gleich der Grand Junction Kanal.“ Ihre Bemerkungen kamen ihr selbst hohl und leer vor.
„Es ist eine beachtliche Ingenieursleistung. Ich habe sie mir vor Jahren angesehen“, entgegnete William einsilbig. Emily biss sich auf die Unterlippe und schwieg.
Nachdem sie den Kanal passiert hatten, startete sie einen letzten Versuch. „Da links geht es nach Syon House. Dort bin ich einmal mit meinem Großvater gewesen“, erzählte sie.
„Tatsächlich?“, fragte er, gähnte und erkundigte sich schließlich: „Waren Seine Gnaden zu Hause?“
Emily verlor die Geduld. „Ja, nein, ich weiß es nicht mehr, obwohl es sehr nett von dir ist, dass du dich so interessiert zeigst“, erwiderte sie verärgert. „Ich war auch in Osterley, aber das willst du vermutlich ebenso wenig hören wollen.“
Herausfordernd blickte er sie an. „Warum bist du so wütend?“
„Weil ich mich die ganze Zeit vergeblich bemühe, mit dir ein Gespräch anzufangen!“
„Ich dachte, du wolltest nur mit mir sprechen, wenn andere zugegen sind.“
„Das hat sich geändert. Ich bemühe mich … freundlicher zu sein.“
„Weshalb?“ Die Gleichgültigkeit schien aus seiner Stimme gewichen. Dennoch klang seine Frage barsch.
„Ich … ich“, begann sie zögerlich, „ich habe voreilige Schlüsse gezogen.“
„In welcher Hinsicht?“
„In Bezug auf mein Urteil über dich.“
„Voreilig? Es war ein bisschen mehr als das, oder nicht?“ Er schaute sie fest an, doch sein Mienenspiel zeigte kein Entgegenkommen.
„Dann war es eben falsch!“, schrie sie und fügte rasch hinzu: „Es war
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