Mission Ares
flog er nach Houston und
verbrachte den Abend mit seiner Familie. Am nächsten Tag fuhr er mit Fay nach Timber Cove und El Lago und stattete den Frauen und Familien von Jones, Priest und Dana einen Besuch ab.
Und am Sonntag hieß es zurück nach Cape Canaveral, wo er sich wieder in die Untersuchungen stürzte.
Er arbeitete mit einer Intensität, die bisher unerreicht war.
Das war die einzige Möglichkeit, seine Gefühle wegen des Zwischenfalls zu sublimieren: er mußte sie mit Arbeit ausbrennen und dafür sorgen, daß so etwas sich nicht
wiederholte. Und einen großen Teil der Freizeit verbrachte er allein in der Kirche, mit Gebeten und in Kontemplation versunken. Auf diese Art bewältigte er das alles.
In gewisser Weise hatte er auch Spaß daran. In dem Maße, wie er die Dinge in den Griff bekam, wurde er von Kraft, Mut und Zuversicht erfüllt. Er betete jeden Tag und hatte das Gefühl, daß Gott ihm beistand.
Manchmal brauchte er etwas Unterstützung beim Einschlafen.
Ein paar Tabletten oder ein, zwei Schnäpse. Das gestattete er sich. Er stand unter Strom, wie er seiner Frau sagte; er war wie ein Flugzeug, das den Nachbrenner gezündet hatte.
Donnerstag, 8. Januar 1981
… Bei der Einlieferung litt Oberst Priest an Übelkeit,
Schüttelfrost und innerer Unruhe. Er hatte glasige Augen. Die Körpertemperatur betrug vierzig Grad. Man hatte ihn aus dem Druckanzug geschnitten. Er mußte sich wiederholt übergeben und litt an Schwellungen des Gesichts, des Halses und der oberen Extremitäten. Die Arme waren so stark angeschwollen, daß der Blutdruck nicht mit der normalen Manschette gemessen werden konnte. Die Krankenschwestern mußten sie verlängern.
Er war zeitweilig bei Bewußtsein und vermochte manchmal
klar und logisch zu denken, doch ich gelangte zu der
Auffassung, daß er zu schwach war, um sich zum Hergang des Unfalls zu äußern.
Die Angehörigen und ein paar meiner Mitarbeiter fühlten sich wegen Priests Sprachschwierigkeiten und der zeitweiligen Verwirrtheit unbehaglich.
Vierundzwanzig Stunden nach der Einlieferung gab ich die Anweisung, vier Knochenmarksproben aus Priests Brustbein und Beckenknochen (jeweils vorn und hinten) zu nehmen.
Priest ließ den Vorgang geduldig über sich ergehen. Anhand der Proben wurde die Strahlenbelastung des Körpers bestimmt.
Am vierten und fünften Tag nach der Einlieferung hatte Priest starke Schmerzen, die von Verletzungen der Schleimhäute des Mundes, der Speiseröhre und des Magens herrührten. Die Schleimhäute lösten sich in Schichten ab. Priest litt sowohl an Schlaf-als auch an Appetitlosigkeit. Am sechsten Tag schwoll das rechte Schienbein, von dem sich nun auch die Haut löste, an. Es fühlte sich an, als ob es kurz vor dem Platzen stünde; dann wurde es steif und schmerzte.
Am siebten Tag ordnete ich nach der Diagnose einer starken Agranulozytose – eines Rückgangs der Anzahl in körniger Form vorliegenden Leukozyten, die für die Immunabwehr zuständig sind – eine Gabe von siebenhundertfünfzig
Millilitern Knochenmark mit Blut an.
Dann wurde Priest in einen mit ultraviolettem Licht
sterilisierten Raum verlegt. Eine Periode von Darmsyndromen setzte ein: Darmentleerungen erfolgten fünfundzwanzig-bis dreißigmal alle vierundzwanzig Stunden und enthielten Blut und Schleim. Es wurden Tenesmus, Rumoren und Flüssigkeitstransport in der Region des Blinddarms festgestellt.
Aufgrund der schweren Läsionen im Mund und Oesophagus
nahm Priest für mehrere Tage nichts zu sich. Wir versorgten ihn intravenös mit Nährlösung. In der Zwischenzeit erschienen weiche Bläschen am Damm und Gesäß, und das rechte Schienbein war bläulich-purpurn angeschwollen. Es glänzte und ließ sich leicht eindrücken.
Am vierzehnten Tag fiel Oberst Priest das Haar aus. Es war ein kurioser Vorgang: das Haar am Hinterkopf und am restlichen Körper fiel aus. Er wurde schwächer, und die Phasen der Bewußtlosigkeit und Verwirrtheit wurden länger.
Am 2. Januar, einem Freitag, dem dreißigsten Tag nach dem Unfall, sackte Priests Blutdruck plötzlich ab.
Siebenundfünfzig Stunden später starb Oberst Priest; als unmittelbare Todesursache stellte ich akute myokardiale Dystrophie fest.
Unter dem Mikroskop war Priests Herzgewebe nicht mehr zu erkennen. Die Zellkerne waren nur noch Klumpen aus zerrissenen Fasern. Die Feststellung ist zutreffend, daß Priest an der Strahlung selbst gestorben ist und nicht an sekundären biologischen Veränderungen. Meine Herren, die
Weitere Kostenlose Bücher