Mission Ares
ein Quatsch! Kein Wunder, daß sie die Verbindung unterbrochen hatten.
Sie hatte das gar nicht sagen wollen, sondern etwas
Persönliches.
Was für ein Gefühl es war, die Erde hinter sich zu lassen.
Sie hatte frühere Raumfahrer-Generationen immer wegen des Mangels an Eloquenz kritisiert. Doch vielleicht war es gar nicht so einfach, in einer solchen Lage die richtigen Worte zu finden.
»ATs leer«, meldete York. »Bereit für Trennung.«
»Roger«, sagte Stone.
Über eine Million Liter Brennstoff, die in den Erdorbit zu heben fünf Jahre gedauert hatte, waren innerhalb von sechzehn Minuten verpufft.
»Drei, zwei, eins. Feuer.«
Sprengladungen rissen die Sicherungsbolzen und Rahmen an der Ober-und Unterseite der Tanks ab, und die Zuleitungen, die den Brennstoff von den Tanks in den Bauch der MS-II befördert hatten, wurden nun gekappt. Fast erwartete York, das Knacken der Bolzen und ein gedämpftes Klirren zu hören, wie es beim Start der Saturn VB der Fall gewesen war. Doch sie hörte und spürte nichts.
»AT-Trennung durchgeführt«, sagte sie.
»Bestätige AT-Trennung«, sagte Crippen.
»He«, sagte Gershon beim Blick aus dem Fenster. »Ich sehe einen Tank.«
York rutschte auf ihrer Liege herum und drehte den Kopf. Die Konturen des abgesprengten AT hoben sich wie ein mit einer Kegelspitze besetztes, silber-braunes Zigarrenetui gegen die graublaue Erde ab. Auf der silbernen Oberfläche sah sie Buchstaben und orangefarbene Isolationsreste. Brennstoff tröpfelte aus einer der gekappten Leitungen – ein Strom von Kristallen, die vor dem Antlitz der Erde glitzerten. Es hatte den Anschein, als ob der AT verwundet wäre wie ein harpunierter Wal.
Der taumelnde Tank fiel schnell hinter die Ares zurück.
Beide Tanks bewegten sich so schnell, daß sie zusammen mit Ares das Schwerefeld der Erde überwanden. Die Tanks würden als Satelliten um die Sonne kreisen und vielleicht nach Millionen Jahren in die Gravitationsquelle eines Planeten stürzen.
Sie winkte dem Tank zum Abschied zu. Viel Glück, Baby.
Schließlich erstarben die Triebwerke. Sie spürte es an der nachlassenden Beschleunigung, dem Abflauen des allgemeinen Geräuschpegels und der Vibrationen von den entfernten Triebwerken.
»Das war’s«, sagte Stone. »Schluß. Alle Werte normal.«
»Ihr habt einen ganzen Saal voller Leute hier unten«, ertönte Crippens Stimme, »die sagen, daß ihr gut ausseht, Ares.«
»Das war ein Höllenritt, Bob«, sagte Gershon jubelnd.
»Von hier oben gesehen verlief die Brennphase prima,
Houston. Danke.« Er löste den Helm und streifte die
Handschuhe ab.
York sah, wie die Erde zu einer hellen, kompakten Kugel im Weltraum schrumpfte, wobei der Atlantische Ozean sich
perspektivisch vergrößerte und förmlich auf sie zustieß.
Die Ares-Mehrstufenrakete hatte seit dem Verlassen des
Erdorbits erst ein paar hundert Kilometer zurückgelegt. Doch war die Geschwindigkeit schon so hoch, daß die Schwerkraft der Erde sie nicht mehr zu halten vermochte. Fast siebenhundert Kilometer pro Minute, sagte York sich: so schnell, daß sie den Mondorbit in nur zwölf Stunden kreuzen würde.
»Ist das etwa Musik, was ich da im Hintergrund höre?« fragte Crippen.
»Nein«, sagte Stone. »Ralph singt.«
Samstag, 7. August 1971
Zentrum für Bemannte Raumfahrt, Houston
Bert Seger hatte noch Papierkram zu erledigen, bevor der Feierabend winkte. Doch als die Nachricht von der Landung eintraf, verließ er sein Büro und ging auf die Galerie des Kontrollzentrums. Er holte eine Zigarre aus der Brusttasche der Jacke, wobei er mit der Hand über die rosa Nelke strich, die seine Frau ihm ins Knopfloch gesteckt hatte.
Nach einem Zwölftage-Flug war Apollo 14 im Pazifik
niedergegangen, knapp sieben Kilometer vom Träger Okinawa entfernt. Die NASA wäre für eine Weile aus dem Häuschen, erkannte Seger. Scott und Irwin hatten neunzehn Stunden außerhalb der Landekapsel verbracht, im Vergleich zu den nicht einmal drei Stunden, die Armstrong und Muldoon draußen gewesen waren. Und sie hatten einen annähernd
dreißig Kilometer langen Marsch im Gelände am Fuß eines
Viereinhalbtausenders bewältigt. Inzwischen klappte auch die Koordination zwischen Kontrollzentrum und Astronauten auf der einen und Wissenschaftlern auf der anderen Seite. Fast alle Innovationen der J-Klasse-Mission – die neue Version der Landekapsel, das Mondfahrzeug, die Instrumente der Betriebsund Versorgungseinheit – hatten einwandfrei
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