Mission Munroe 03 - Die Geisel
Sicherheit nach ihr suchen. Vielleicht waren es zwei, vielleicht mehr oder auch gar keiner, egal … der Puppenmacher wusste, dass sie mit Neeva zusammen auf dem Rückweg nach Zagreb war, und ganz egal, wie klein sie als Nadel oder wie groß der Heuhaufen Mailand auch sein mochte, so viele Möglichkeiten gab es einfach nicht.
Das Auto wäre eigentlich das ideale Transportmittel gewesen, um möglichst unbemerkt durchzukommen, und wenn Munroe allein gewesen wäre, hätte sie irgendeinem Wildfremden Geld angeboten und sich nach Zagreb chauffieren lassen, aber mit Neeva als Reisegefährtin war das ausgeschlossen. Mit einem gestohlenen Auto quer durch Italien zu fahren und dann zu versuchen, die Schengen-Zone zu verlassen, kam ebenfalls nicht in Frage, und da sie bewaffnet war, stand auch das Flugzeug nicht zur Debatte. Die Leute des Puppenmachers, wenn sie überhaupt etwas taugten, mussten sich genau dieselben Gedanken machen.
Munroe stellte sich an, wartete auf das Kribbeln im Nacken, das Gefahr anzeigte, aber als sie nichts dergleichen spürte, kehrte sie mit den Fahrkarten in der Hand zu Neeva zurück. Der nächste Zug ging erst in etlichen Stunden.
Sie verbrachten die Wartezeit im Bistro, nur gelegentlich von kurzen Gesprächen unterbrochen. Munroe saß mit dem Rücken zur Wand, den Blick zur Tür gewandt, und trank viel zu viel Kaffee. Neeva stocherte in ihrem Essen herum, gab sich alle Mühe, hungrig zu wirken, und lächelte. Dahinter verbarg sich eine Erschöpfung, die noch stärker war als am gestrigen Tag. Aber irgendwann war der Zeitpunkt der Abfahrt doch so nahe gerückt, dass sie sich auf den Weg machen mussten.
Munroe blieb so lange wie möglich auf dem Bahnsteig stehen und suchte nach irgendwelchen Auffälligkeiten. Wer voll und ganz auf ein bestimmtes Ziel konzentriert ist, kann dies niemals komplett verbergen. Also hielt sie Ausschau nach Augen, die keine Fahrpläne oder Waggonnummern studierten, sondern andere Gesichter musterten, nach Personen, die allein und ohne offensichtliches Ziel unterwegs waren, fand aber nichts. Erst jetzt brachte sie Neeva zum Zug und führte sie durch etliche Waggons bis in ihr Erste-Klasse-Abteil.
Wäre sie an Stelle der Jäger gewesen, sie hätte sich gar nicht erst auf diese unsicheren Spielereien eingelassen, sondern alle Kräfte am Ankunftsort gebündelt, in der Gewissheit, dass sie früher oder später dort erscheinen musste. Aber das war der Nachteil der Gejagten: immer auf der Flucht, jeder Schatten ein Monster, keine Zeit auszuruhen, niemals wissen, aus welcher Richtung der Schlag kommen würde. Munroe saß mit dem Rücken zum Fenster da, die Beine auf die leeren Sitze gelegt, die Jericho fest in der Hand, versteckt unter ihrem Oberschenkel. Die Zeit wurde lang und länger. Kein Attentäter ließ sich sehen, und nachdem auch das Umsteigen in Venedig problemlos verlaufen war, entspannte sie sich und fiel schließlich, obwohl sie es nicht wollte, in einen unruhigen Schlaf, so lange, bis Bradford anrief.
Sie passierten die Zollkontrolle bei der Einreise nach Kroatien, und dann hielt der Zug in den frühen Morgenstunden in Zagreb an. Es war dunkel und ruhig auf den Straßen. Die Stadt lag noch im Schlaf. Sie stiegen aus. Nur wenige Menschen standen auf dem Bahnsteig, darunter zwei, deren Haltung und Ausstrahlung bei Munroe unmittelbar Alarm auslösten.
Sie hielt sich dicht bei einer Gruppe abreisender Fahrgäste, war jederzeit auf einen Hinterhalt gefasst und verschwendete weder Zeit noch Energie mit Worten, sondern steuerte Neeva mit ihrem Körper, sorgte dafür, dass sie immer von den anderen verdeckt wurde. Im Schutz der Menge gelangten sie vom Bahnsteig in die Halle des Glavni Kolodvor, des Hauptbahnhofs von Zagreb.
Das Gebäude wirkte klein und beinahe provinziell im Vergleich zu seinem glanzvollen Gegenstück in Mailand, aber dennoch strahlte die Architektur eine historische Würde aus, in Erinnerung an die glorreichen Zeiten, da Zagreb, wie Belgrad, Prag und Budapest, eine Durchgangsstation für den Orient Express gewesen war. Jetzt war der Bahnhof zwar nicht völlig menschenleer, aber doch sehr still, und das Gefühl der Bedrohung wurde durch die frühmorgendliche Dunkelheit und den großen, offenen Platz draußen vor dem Bahnhof noch zusätzlich verstärkt.
Obwohl Munroe am liebsten sofort losgelaufen wäre, ging sie lediglich ein klein wenig schneller und sorgte durch einen leichten Stoß mit dem Ellbogen dafür, dass auch Neeva ihre Schritte
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