Mission Vendetta: Thriller (German Edition)
Schritte fast unwillkürlich schneller, so als funktionierten ihre Beine unabhängig von ihrem Verstand. Bevor sie sich dessen richtig bewusst wurde, hatte sich ihr zielloses Schlendern in ein Traben verwandelt, das schließlich in einem ausgewachsenen Sprint endete.
Sie rannte; ihre Füße gruben sich tief in den Sand, ihre Muskeln zogen sich zusammen und dehnten sich, ihre Lunge sog gierig die Luft ein. Sie rannte, ohne darauf zu achten, wohin sie lief. Die Anspannung, die nervöse Energie, das Adrenalin, das noch im Einkaufszentrum durch ihre Adern geströmt war, hatten endlich ein Ventil gefunden.
Sie rannte, bis sie nicht mehr weiterlaufen konnte.
Als sie schließlich stehen blieb, atemlos, erschöpft und mit heftig pochendem Herzen, hatte sie Drake und das Auto weit hinter sich gelassen.
Sie war allein. Zum ersten Mal, seit all dies begonnen hatte, war sie allein.
Sie hockte sich in den Sand, legte sich rücklings hin und starrte in den Himmel. Es war ein wunderschöner, klarer Abend. Die Sonne war bereits im Untergehen begriffen, und ihre Strahlen färbten die wenigen hohen, dünnen Wolken pink.
Es war ruhig. Sie konnte weder Handys noch Musik noch Automotoren oder sinnloses Geplapper hören; nicht eines von den zahllosen Geräuschen, die sie so verwirrt und sogar geängstigt hatten.
Es war nichts zu hören außer dem tiefen, lebendigen Rauschen der Wellen, die an den Strand schlugen, ihrem eigenen Keuchen und dem starken, regelmäßigen Schlagen ihres Herzens. Sie war allein auf einem endlosen Strand und starrte in den unendlichen Himmel.
Wie viele Nächte hast du wach gelegen und davon geträumt? Wie oft hast du solche Bilder gewaltsam unterdrückt, dir eingeredet, du würdest so etwas niemals mehr erleben? Wie oft hättest du am liebsten in dieser winzigen Zelle vor Frust geschrien, statt den Impuls zu unterdrücken, dich zu weigern, ihm nachzugeben? Jetzt war es vorbei. Was auch immer auf sie zukam, sie würde niemals wieder zu diesem oder einem anderen derartigen Ort zurückkehren. Eher würde sie sterben.
Keine Schwäche wird in meinem Herzen nisten. Furcht hat keinen Platz in meinem Credo.
Furcht. Sie hatte sie heute empfunden, stärker, als sie es sich je vorgestellt hätte.
Heute, in diesem Einkaufszentrum; sie hatte die gleiche Furcht empfunden wie das kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war, im Bevor , das kleine Mädchen, an das sie sich kaum noch erinnern konnte. Sie hatte sich verängstigt gefühlt, panisch, verloren und allein.
Sie hatte sich geschworen, dass sie sich nie wieder so fühlen würde, dass sie nie wieder Schwäche oder Furcht zulassen würde. Die Maske der Selbstbeherrschung war ihre Rüstung gewesen. Sie hatte sie vor den schrecklichen Dingen bewahrt, die sie in ihrem langen Leben gesehen und getan hatte, hatte ihr erlaubt, in einer Welt voller Wahnsinn bei Verstand zu bleiben.
Aber diese Bürde war schwer zu tragen, und sie war müde.
Wie war es nur dazu gekommen?
Ich habe alles getan, was man von mir verlangt hat. Alles. Ist das hier meine Belohnung? Stehen zu bleiben, nachdem alle anderen gefallen waren. Allein. Verängstigt. Verloren.
Ein Soldat ohne Krieg. Ein Patriot ohne Land. Ein Leben ohne Bedeutung.
Schließlich gab sie nach und kniff die Augen zusammen, als die Tränen liefen. Sie weinte um alles, was sie verloren hatte, um alles, was sie getan und zugelassen hatte, was man ihr angetan hatte, um all die Fehler und die Reue, um alle Opfer, um den Schmerz.
Sie weinte, und niemand sah sie.
Als sie schließlich zum Wagen zurückkehrte, fühlte sie sich verändert. Irgendwie leichter. Sie hatte etwas abgeschüttelt, das sie eine sehr lange Zeit mit sich herumgeschleppt hatte, und das fühlte sich gut an.
Drake wartete auf sie. Er lehnte an der Seite des Wagens. Er hatte ihre unausgesprochene Bitte erfüllt und war ihr nicht gefolgt, hatte ihr die Zeit gegeben, die sie brauchte. Sie wusste nicht einmal, wie lange sie weg gewesen war, aber die Sonne stand viel tiefer über dem Horizont als zuvor.
Sie setzten sich in den Sand, und gemeinsam blickten sie schweigend über die glitzernden Wellen hinweg. Es gab vieles, was sie gern gesagt hätte, aber sie wusste nicht genau, wie sie es anfangen sollte.
»Wie fühlen Sie sich?« Drake schien ihr Problem zu spüren.
Sie dachte ein paar Sekunden über die Frage nach. »Besser.«
»Es tut mir leid, dass ich Ihnen das zugemutet habe, Anya. Es war dumm, dorthin zu gehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich war
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