Mit 14 glaubt man an die Freundschaft
von den Schülern
selbst verfaßt , und es war Ehrensache, daß in ihnen
eine gute Portion Selbstkritik serviert wurde.
Neben Katja saß Klaus Funke. Ihm war
die Rolle des Anstifters zugefallen, der die Ideen liefert und die anderen zu
Streichen anstachelt, aber selbst nie mitmacht und ein Unschuldsengel bleibt,
wenn etwas schiefgegangen ist. Katja kannte Klaus, den Ur-Berliner, der sich so
gerne urbayerisch gab, seit ihrem ersten Tag in dieser Schule. Deshalb fand sie
auch, die Rolle sei ihm auf den Leib geschrieben.
Vom Textlernen hielt Klaus allerdings
nicht viel. Vielleicht hatte er auch nur sehr schnell begriffen, daß Katja eine
willige und hilfsbereite Souffleuse war, die seine Rolle schon am zweiten Tag
auswendig konnte. Jedenfalls verließ er sich sehr bald darauf, daß sie ihn
anstupste, wenn er an der Reihe war, und ihm die ersten Worte seines Textes
zuflüsterte.
„Du läßt dich mal wieder ganz schön
ausnutzen“, meinte Petra, als sie bei einer Probe zugeschaut hatte. “Das ist so
typisch für dich: Sonst bist du gar kein ,Mitmacher’ ,
nur wenn die anderen einen Dummen suchen, der für sie arbeitet, dann bist du
ganz groß im Rennen!“
„Wer so aussieht wie ich, hat gar keine
andere Wahl.“
„Der Satz ist so dämlich, daß ich ihn
als nicht gesagt betrachten möchte.“
Zum Glück wurden sie von Klaus Funke
unterbrochen, der von hinten heranschlenderte, die Schultern hochgezogen, die
Hände tief in den Hosentaschen vergraben. Katja glaubte zu sehen, wie er Petra
mit den Augen verschlang.
„Kannst du mir deine Freundin nicht mal
für ‘n Jahr abtreten?“ fragte er Petra. “Katja ist genau der Partner, den ich
in der Bank neben mir brauchte. Wetten, daß ich nach ein paar Monaten keinen
blassen Vierer mehr im Zeugnis hätte?“
„Das könnte dir so passen! Unsere Firma
nimmt keine Aufträge mehr an, da mußt du schon woanders denken lassen.“
„Schade.“
Er sah auf seine Schuhspitzen. Ihm fiel
offensichtlich nichts mehr ein, denn auf seiner Stirn erschien eine Reihe von
Dackelfalten.
Hübsche lange Wimpern hat er, dachte
Katja, aber wo ist seine kesse Schnauze geblieben? Na ja, wenn sie Petra sehen, verschlägt’s ihnen allen die Sprache. Wer ist schon
darauf trainiert, sich mit Märchenfeen zu unterhalten.
„Na ja, dann will ich eure holde
Zweisamkeit nicht länger stören. Bis morgen, Kumpel!“ Damit haute er Katja auf
die Schulter und schlenderte davon.
„Da siehst du’s!“ sagte Katja spöttisch.
“Das ist die Rolle meines Lebens: der gutmütige Kumpel, der nie nein sagen
kann. Es können ja schließlich nicht alle Götterlieblinge sein.“
„Hör auf damit!“ fauchte Petra. “Du
weißt, ich mag das nicht!“
„Entschuldige, ich hab’s nicht so
gemeint. Gehn wir schwimmen?“
„Okay. - Sag das nicht wieder zu mir.“
„Was - Götterliebling? Wenn’s dich so
ärgert - in Ordnung. Nie wieder.“
Bei der nächsten Probe druckste Klaus
Funke merkwürdig herum. Er war unaufmerksam und schaute Katja immer wieder von
der Seite an.
„Was ist denn heute los mit dir?“
fragte sie, als er zum fünftenmal seinen Einsatz verpaßt hatte.
„Ich hab ein Problem. Können wir uns
nachher in der Pause mal unterhalten?“
„Achtung! Du bist dran-, Mensch,
Dieter, du Flasche, versuch’s noch mal!“
Der kleine Oliver Haase, der den Dieter
spielte, wartete - einen Tennisball als Wurfgeschoß in der Hand -schon
verzweifelt auf sein Stichwort.
„ Flensch ,
Mieter, du Dasche ... Densch , Flieter , du Masche...“ stotterte Klaus, und sämtliche
Darsteller brachen in brüllendes Gelächter aus. Der kleine Oliver war nicht
mehr in der Lage, den Ball zu werfen, so schüttelte es ihn, und Andreas, der
den Busfahrer spielte und jetzt einen wütenden Ausbruch hinzulegen hatte,
brachte seine Sätze nur noch als Kleinholz über die Lippen.
„So geht’s nicht, Kinder, zehn Minuten
Pause“, sagte Robert, ein Klassenkamerad von Andreas, der die Regie übernommen
hatte.
Katja und Klaus holten sich aus dem
Automaten im Keller einen Orangensaft und setzten sich auf dem Hof ein wenig
abseits von den anderen auf die Mauer.
„Na, nun schieß los, was hast du für ein Problem?“ Klaus blinzelte in die Sonne, er
seufzte tief.
„Tja - wie soll ich dir das sagen - es
geht um ein Mädchen...“
„Na und - weiter?“
„Ja - sagen wir mal so: Ich mag sie
wahnsinnig gern, aber sie weiß nichts davon.“
„Dann sag es ihr doch.“
„Das ist eben nicht so einfach.
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