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Mit dem Kühlschrank durch Irland

Mit dem Kühlschrank durch Irland

Titel: Mit dem Kühlschrank durch Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tony Hawks
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treffen und dann die Dinge ihren Lauf nehmen zu lassen. Meistens erwies sich das Ergebnis als gut, und wenn es das nicht war — wie zum Beispiel die Höllennacht in der Jugendherberge — , dann diente es dazu, den Charakter zu stärken. Es gab keine falschen und keine richtigen Wege, denen man folgen konnte, sie waren nur alle verschieden, und wo sie hinführten, hing von der Einstellung ab, mit der man sie einschlug. Das schien mir im Leben nicht anders zu sein.
    Und was sonst noch? Nun, ich kam nicht allein zurecht. Es liegt in der Natur des Trampens, vor allem, wenn es durch ein Küchengerät erschwert wird, dass man auf andere angewiesen ist. Wir erwarten es vielleicht nicht, aber in jedem Leben kann eine Zeit kommen, wo wir im konkreten oder übertragenen Sinn per Anhalter reisen müssen. Es spielt keine Rolle, wie wichtig, reich oder talentiert man ist: Wenn dein Auto irgendwo kaputtgeht und du gezwungen bist, den Daumen rauszuhalten und zu trampen, dann wird dir deine Fehlbarkeit und die Tatsache, dass du nichts Besseres als dein Mitmensch bist, sehr deutlich. Man ist auf die Güte von jemand anders angewiesen, um in Sicherheit gebracht zu werden. Und ich entdeckte allmählich, dass auf dieses Vertrauen zu bauen befreiend war und sogar Spaß machte.
    Spaß. Das brachte mich zum letzten Schritt meiner dialektischen Seeufer-Betrachtungen: Meine sinnlose Reise verlief wie das Leben selbst im Kreis. Mein Ausgangsort Dublin repräsentierte den Beginn des Lebens, und während der ganzen Reise stand fest, dass es am Ende mein »Ruheort« sein würde. Da der Kühlschrank mehr als die 100 Pfund gekostet hatte, um die es in der Wette ging, hatte ich keinen ökonomischen Anreiz für die Reise, und was die großen Errungenschaften der Menschheit anging, würde sie in den Annalen vermutlich direkt neben Timothy »Bud« Budyana und seinem Rückwärtsmarathon verzeichnet werden. Angesichts dieser Sinnlosigkeit war die einzige Rechtfertigung für mein Unternehmen, dass es Spaß machte. Es war passend, dass die Iren das einzige Wort haben, das dem Geist der Sache wirklich gerecht wird: >Craic<. Hatten die Leute in diesem Land erst mal erkannt, dass ich das alles >rein zum Craic< tat, verstanden sie völlig, worum es mir ging, und schlossen mich in ihre Herzen. Hier, wo ich die Füße in das Wasser dieses herrlichen Sees baumeln ließ, beschloss ich, in Zukunft das Leben mit derselben Einstellung anzugehen.
    Die »Kühlschrank-Philosophie« nahm Gestalt an. Eins war allerdings klar. Sie würde einen anderen Namen brauchen, bevor man sie auf den Markt werfen konnte.
    Ich ging diesen Abend ruhig an, ließ den Kühlschrank in meinem Zimmer zurück und hielt mich von Pubs fern. Ich spazierte auf den geschäftigen Straßen Killarneys herum und suchte ein Restaurant, das für ein ungekämmtes Individuum, das allein essen wollte, geeignet war. Ich dachte daran, mich in einem teuer wirkenden Restaurant mit einem Hummer zu verwöhnen, aber der Anblick der Hummer, die in einem Wassertank zur Schau gestellt wurden und mit zugeschnürten Scheren herumkletterten, brachte mich von der Idee ab. Auf der Speisekarte im Fenster stand:

    S IE WÄHLEN IHREN H UMMER
    AUS UNSEREM B ECKEN SELBST AUS!

    Dieser Satz gefiel mir nicht. Mein Status wäre nicht der eines bloßen Essers, sondern der einer gottgleichen Gestalt. Ich würde nicht »unschuldig« etwas auf einer Speisekarte bestellen, sondern selbst die Entscheidung treffen, welche Kreatur im Interesse meines Gaumens an diesem Abend sterben sollte.
    Ich ging schließlich in ein gemütliches kleines Restaurant, wo von mir nicht verlangt wurde, dass ich Tiere für die Schlachtung bestimmte, und aß dort ein Irish Stew, das beruhigenderweise so schmeckte, als hätte eine Mutter es gekocht. Auf dem Weg nach Hause überlegte ich, ob ich am Morgen weitertrampen sollte, obwohl es Sonntag war und die Lastwagen nicht fahren würden, die sonst mein Haupttransportmittel waren. Als ich endlich die Pension erreichte, hatte ich beschlossen, dass ich am nächsten Tag zwei Stunden lang am Straßenrand mein Glück versuchen, die Sache bei ausbleibendem Erfolg jedoch abbrechen und mich wieder meinen amateurhaften philosophischen Studien am Seeufer widmen würde.
    Ich setzte mich aufs Bett und betrachtete die Karte. Riesiger Stolz überkam mich, als ich sah, was für eine Strecke ich bereits zurückgelegt hatte. Ich hatte mehr als die Hälfte der Reise hinter mir. Mein nächstes Ziel war es, nach Cape Clear

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