Mit dem Kühlschrank durch Irland
junges verheiratetes Paar und ein einzelner fetter Deutscher, und saßen zusammen an einem Tisch, was sie eindeutig nicht genossen. Sie sagten absolut nichts zueinander, und ihr Schweigen schien sie in einem schrecklichen Würgegriff zu halten. Das Geräusch des Bestecks auf ihren Tellern hallte in dem Zimmer wider und schien zehnfach verstärkt zu werden. Es wurde deutlich, dass es für sie alle mit jeder Minute, die verging, schwieriger wurde, das Essen zu unterbrechen und etwas zu sagen. Sie beugten sich voll grimmiger Entschlossenheit über ihre Teller und wussten, je schneller sie das Frühstück hinter sich brachten, desto schneller war diese ganze unangenehme Erfahrung vorbei. Ich war froh, dass man mich nicht an ihren Tisch gesetzt hatte.
Marjories Stimme wirkte ohrenbetäubend, als sie mit einem köstlichen Frühstück zu mir kam. Am Tag vorher hatte sie mir beim Tee erzählt, dass sie zwei Kochbücher geschrieben hatte, und es war unübersehbar, dass sie selbst bei einem einfachen Mahl wie dem Frühstück ihre Fähigkeiten auf kulinarischem Gebiet demonstrieren wollte. Ich hatte nichts dagegen. Geräucherter Lachs, Tomaten und herrlich lockeres Rührei waren mir sehr recht. Soweit ich es beurteilen konnte, hatte sie den Michelin-Stern, nach dem sie sich so sehnte, vollauf verdient. Aber was soll das Ganze überhaupt? Ich habe nie verstanden, warum jemand will, dass seine Kochkünste von Michelin gelobt werden. Wen kümmert es schon, was die denken? Keiner ist an Essen mit guter Kurvenhaftung interessiert.
Marjorie war eine Dame mittleren Alters, verfügte aber über die beeindruckende Lebenslust einer viel jüngeren Frau. Nachdem das junge Paar und der jetzt noch fettere Deutsche das Esszimmer verlassen und in ihren Zimmern Zuflucht gesucht hatten, erzählte sie mir, dass sie und ihr Ehemann sich getrennt hätten und sie, seit sie diesen Neuanfang gewagt habe, positiver denn je in die Zukunft sehe.
»Ich will’s noch mal wissen!«, rief sie. »Und ich glaube, deshalb war ich mir sicher, mit dir Kontakt aufnehmen zu müssen, denn an dem, was du tust, sieht man, dass du es auch wissen willst.«
»Genau.«
Ich wusste, was sie meinte, aber ich hatte nicht erwartet, dass meine Kühlschrank-Reise mit einer Scheidung verglichen werden würde.
»Wirst du heute wieder weiterziehen, Tony?«
»Nun, der Sonntag ist der traditionelle Ruhetag, und ich habe das Gefühl, dass ich es ein bisschen übertrieben habe. Würde es dir was ausmachen, wenn ich noch eine Nacht hier bleibe? Die bezahle ich selbstverständlich.«
»Das wirst du nicht. Du wohnst hier kostenlos, und da gibt es keine Diskussionen. Was willst du mit dem heutigen Tag anfangen?«
»Och, ich dachte, ich lass es locker angehen, lese und schreibe ein bisschen und mache vielleicht einen Spaziergang den Fluss entlang.«
»Meine Freundin Elsie kommt um eins. Sie ist wirklich eine Nummer. Du musst sie ganz einfach kennen lernen. Ich warne dich aber, du wirst danach vielleicht ein Valium brauchen.«
Marjorie hatte nicht übertrieben. Elsie, eine überschäumende und redselige Frau, verkürzte meine Erholungszeit, indem sie eine Stunde zu früh kam und mir genau zu Mittag einen dicken, feuchten Schmatzer auf die Lippen drückte.
»Du musst mich entschuldigen, Tony, aber so bin ich nun mal«, verkündete sie, als ich schockiert zurückwankte. »Bin ich zu früh gekommen?«
Sie vielleicht, aber ich ganz bestimmt nicht.
»Nein, ist schon in Ordnung. Ich bin mit dem Lesen fast fertig.«
Elsie übte sich nicht lange in Zurückhaltung. Wir kannten uns gerade mal zwei Minuten, da zeigte sie mir ein Gedicht, das sie geschrieben hatte, und bat mich, es zu lesen. Während ich das versuchte, redete sie weiter und erzählte mir, dass sie auch Lieder schrieb und sang und bald eine CD aufnehmen würde. Leider bedeutete Elsies pausenloses Reden, dass es unmöglich war, sich auf ihr Schreiben zu konzentrieren.
»Es ist sehr gut«, sagte ich, gab ihr das Gedicht zurück und hoffte, dass sie mich nicht bitten würde, mich zu seinem Inhalt zu äußern.
Nach einem ausgezeichneten Mittagessen, dessen einziger Fehler in meinen Augen sein erschreckend kurzer zeitlicher Abstand zum Frühstück war, nahmen die beiden Damen mich auf eine Rundfahrt zu den Sehenswürdigkeiten von Ballina mit. Der Kühlschrank begleitete uns, und an jedem Halt des Wegs wurde er auf Elsies und Marjories Drängen hin den Leuten wie eine Berühmtheit präsentiert.
Wir besuchten Kilcullen’s
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