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Mit der Hoelle haette ich leben koennen

Titel: Mit der Hoelle haette ich leben koennen
Autoren: Daniela Matijevic
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da konnte ich tun, was ich wollte. Sie war eigenständig, vor allem aber eines: stärker als ich.
    Willkommen also in der Tretmühle.
    Als Erstes musste ich nämlich das Versorgungsamt von meinem Scheitern in Kenntnis setzen und Anträge über Anträge ausfüllen, was mich zermürbte.
    Wieder war ich eine Bittstellerin und musste wildfremden Menschen, die sich nicht die Bohne darum scherten, wer ich war, woher ich kam oder wie es mir ging, meine Lage erklären, musste
bei ihnen um Verständnis werben. So manchem Beamten in den Behörden wäre es sicher lieber gewesen, wenn ich mich einfach in mein Schicksal ergeben und ihn nicht weiter mit Fragen und Anträgen belästigt hätte. Aber den Gefallen tat ich ihnen nicht, ich blieb hartnäckig, fragte nach, kämpfte.
    Die Sachbearbeiterin im Versorgungsamt hörte mir gelangweilt zu, als ich ihr von meinen gescheiterten Studienversuchen berichtete.
    »Ich habe wirklich alles versucht, es ging nicht«, sagte ich und ärgerte mich gleichzeitig darüber, wie anbiedernd ich klang.
    »Da müssen Sie erstmal den Antrag ausfüllen. Und den hier auch noch. Dann schauen wir mal weiter.«
    »Brauchen Sie dazu die Originale der Therapeutengutachten?«, fragte ich.
    »Hab ich was davon gesagt?«, fragte sie zurück.
    In mir brodelte es.
    Wie heißt es noch in einem Lied von Herbert Grönemeyer? »Meine Faust will unbedingt in sein Gesicht - und darf nicht …«
    »Wann wurden Sie denn entlassen?«, fragte die Sachbearbeiterin.
    Angriffslustig fauchte ich: »Laut dem Dokument, auf das Sie gerade blicken, am 30. Juni 2000.«
    Sie zeigte sich empört. »Wir wollen nicht frech werden, mein Fräulein. Ich mach das hier nicht zum Spaß.«
    »Meinen Sie, dass es mir Spaß macht, mich hier so anzubiedern?«
    »Es hat Sie ja schließlich auch niemand gezwungen, Soldatin zu werden.«
    Bumm!
    Wieder mal das Totschlagargument. Ich war nur erstaunt, dass es so lange gedauert hatte, bis es kam.
    Wortlos musterte ich mein Gegenüber, nahm meine Papiere und trollte mich gedemütigt nach Hause.

    Dort vergrub ich mich im Schlafzimmer, begnügte mich damit, mir selbst leidzutun, und stellte zum x-ten Male fest, dass ich auf Menschen angewiesen war, die sich einen feuchten Kehricht um mich und mein Schicksal scherten.
    Stellte die Stadt Osnabrück absichtlich Menschen im Versorgungsamt ein, deren Haut an der dünnsten Stelle drei Meter dick war?
    Interessierte sich überhaupt irgendjemand dafür, was mir widerfahren war, oder war jeder nur darauf bedacht, so wenig wie möglich auszahlen zu müssen?
    Wenig?
    Der Betrag, den ich jeden Monat vom Staat erhielt, ließ mich seit Jahren bereits unter der Armutsgrenze leben. Nein, leben konnte man das, was ich tat, nun wirklich nicht nennen. Es war eher ein Existieren. Aber das kam davon, wenn man für Deutschland sein Leben riskierte.
    Ich verfluchte Gott, das Leben und die Menschen und wartete auf Erlösung.
    Doch nicht mal der herbeigesehnte Schlaf, der das Leid hätte lindern können, wollte kommen.

Kann,
will,
möchte,
begehre,
sehne,
erhoffe,
wünsche,
bitte -
darf nicht!
    16.
    Nach der Studienniederlage überlegte ich lange hin und her, was für mich mit meinem Handicap beruflich überhaupt noch möglich war. Mittlerweile schrieben wir das Jahr 2004, und ich war bereits seit fünf Jahren aus dem Einsatz zurück. Ich hatte es in einem Callcenter versucht, ein Fernstudium begonnen, Telefonmarketing betrieben, mehrmals ehrenamtlich gearbeitet - aber keine der Arbeiten war von Dauer.
    Das Gleiche galt für Freundschaften. Meine zwischenmenschlichen Beziehungen gingen so gut wie alle in die Brüche, weil praktisch keiner von meinen Freunden und Bekannten Verständnis dafür hatte, wenn ich Verabredungen fünfmal absagen oder verschieben musste, weil ich körperlich angegriffen war.
    Immer wieder kam es zu Szenen, die mir bald ebenso verhasst wie vertraut waren: Jemand aus meinem Freundeskreis rief mich gut gelaunt an und wollte mit mir ausgehen. Froh darüber, dass der- oder diejenige an mich gedacht hatte, sagte ich zu und freute mich aufrichtig auf ein Treffen.

    Gleichzeitig beobachtete ich misstrauisch mein Befinden - Sekunde für Sekunde. Ich betete darum, meine Zusage halten zu können. Aber selbst Beten half nichts. In neun von zehn Fällen musste ich die Verabredung am Ende doch absagen. Während meine Freunde und Bekannten anfangs noch verständnisvoll reagierten, wenn ich anrief, um kurzfristig abzusagen, hieß es eines Tages nur
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