Mit Familienanschluß
Walter.«
»Warum nicht?«
»Wie kann man nur so dusselig fragen! Es gibt außer dir noch andere Männer in Diano Marina. Und ich sehe nicht gerade aus wie ein räudiges Schaf. Hast du eine Ahnung, welche Mühe ich habe, die Männer abzuwehren! Ich brauche nur einmal über die Piazza zu gehen, da pfeift es aus allen Ecken. Ob ich ein Eis esse, ob ich 'ne Limonade trinke, ob ich mir Spaghetti bestelle – immer pirschen sich die Kerle ran. Als alleinstehendes Mädchen hast du hier keine Ruhe, nie und nirgends. Sogar der Sohn von meinem Pensionsinhaber wollte vor drei Tagen in mein Zimmer.«
»Den haue ich zusammen« schrie Walter. »Aus dem mache ich Sardellenpaste!«
»Was nützt das? Statt seiner kommen zwanzig andere. Ein Mädchen allein an der Riviera – das ist, als wenn du ein Schild vor dem Bauch trägst: ›Wer will mal …‹ Die Kerle hier glauben wirklich, daß du nur deswegen herkommst.« Ingeborg zog ihren BH höher und strich sich die flatternden Haare aus dem Gesicht. »Es fällt mir immer schwerer, mich dagegen zu wehren.«
Das war eine Bombe. Bei Walter schlug sie auch prompt ein und ließ ihn hochfahren. »Was redest du da?«
»Ich bin nicht aus Gußeisen – und selbst das kann mal zerbrechen.«
»Du könntest wirklich …«
»In der größten Not frißt der Elefant seinen Rüssel.«
»Laß die dummen Sprüche!« Walter war sichtlich unruhig geworden. Das leuchtende Beispiel seines Vaters zeigte ihm, daß die Mittelmeerluft anscheinend eine exzessive Wirkung ausüben konnte. Man müßte sich tatsächlich mehr um Ingeborg kümmern … Aber andererseits war da Eva, die Walter immer noch im Hirn herumspukte. Er war ihr endlich ein bißchen nähergekommen – eine Tatsache, die ihn auf angenehme Tage hoffen ließ.
Oft ist es rätselhaft, woher Männer ihren Optimismus in bezug auf Frauen nehmen. Aber bei Walter hatte sich der Wahn festgesetzt, daß Ingeborgs Anwesenheit ihn in Evas Augen nur interessanter machen mußte. Vermutlich, so meinte er, hatte sie deshalb gestern nacht bei der Rückfahrt aus dem ›Sirena‹ ihren Kopf an seine Schultern gelehnt. Daß sie vielleicht bloß müde gewesen sein könnte, fällt einem eitlen Mann nicht ein. Und alle Männer sind eitel – am meisten die, die lauthals dagegen protestieren!
Unter diesen Aspekten jedoch erschien es Walter wenig ratsam, Ingeborg als Nachgereiste in die Familie zu integrieren. Das große Erlebnis Eva würde dann ausfallen, und dieser Gedanke schmeckte Walter noch nicht. Wie alle Männer besaß auch er einen ausgeprägten Jagdinstinkt, und man muß zugeben, daß Eva sehr wohl ein Wild war, das zu erlegen sich lohnte.
Beredsamkeit, komm mir zu Hilfe …
»Bei der augenblicklichen Familiensituation wäre es unklug, dich auch noch auftauchen zu lassen«, sagte Walter in überzeugendem Tonfall. »Warte noch eine Woche.«
»Eine ganze Woche?«
»Es bleiben dann immer noch vier gemeinsame übrig. Übrigens – wer in unsere Familie kommt, muß Ställe ausmisten …«
»Was muß er?«
»Wir haben ein Ferienhaus gemietet, das alles enthält, um einen Urlaub unvergeßlich zu machen.«
»Ihr habt da oben Viecher?«
»Schafe und Ziegen.«
»Süße, kleine Zicklein?«
»Stinkböcke!«
»O Walter, ich liebe Tiere. Ich bin ganz verrückt nach Tieren! Ich könnte bei Tieren schlafen!«
»Das kannst du haben! Für dich ist nämlich kein Bett mehr im Haus frei.«
»Ich habe meinen Schlafsack bei mir – für alle Fälle. Ich bin also autark. Ich kann überall schlafen – im Flur, vor der Haustür, im Garten, im Schuppen, unter einem Busch … Du, zeig mir doch mal das Haus.«
Walter zögerte, aber Ingeborg fuhr, um ihn zu überzeugen, eine Waffe auf, gegen die jeder halbwegs gesunde Mann hilflos ist. Sie flüsterte ihm nämlich zu, daß man im Haus ja allein sein würde, ohne beobachtende Augen, ohne Risiko, und daß alles in ihr flimmere und Sehnsucht habe – und überhaupt …
Es ist teuflisch, was eine Frau so alles von sich geben kann, um ans Ziel zu kommen. Eine herrliche Hölle!
Walter kapitulierte. Er zog Ingeborg hoch, rollte ihr Badetuch zusammen und fuhr mit ihr zum Ferienhaus.
Mit kleinen Begeisterungsschreien stürmte Ingeborg in den Weingarten und tätschelte die Schafe und Ziegen, fand die Aussicht von der Terrasse einfach himmlisch, das Haus irre und die Idee, solch ein Domizil zu mieten, genial.
Ins Haus selbst konnten sie nicht, die Schlüssel hatte Hermann Wolters in der Tasche, aber der kleine Anbau, der
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