Mit Familienanschluß
und Manfred spielten Federball, es war Ebbe, der Strand weit und fest.
»Wo bleibt das Eis?« brüllte Manfred sofort. »Walter hat uns Eis versprochen! Ich hab' Hunger, Paps.«
»Ich weiß nicht, wo die beiden sind!« Wolters blickte zur Strandpromenade hinüber. »Das verstehe ich nicht. Eva, wie lange dauert ein Friseurbesuch?«
»Es kommt darauf an, was gemacht wird.«
»Na, das übliche …«
»Also Waschen und Föhnen?«
»Ja, ich glaube.«
»Dafür braucht man eine Dreiviertelstunde.«
»Aber jetzt ist meine Frau schon über vier Stunden weg.«
»Vielleicht läßt sie sich die Haare färben?«
»Davon hat sie nichts gesagt. Warum sollte sie auch? Ihre Haare sind doch gut, so wie sie sind.« Wolters wurde immer unruhiger. »Da stimmt was nicht.«
»Walter ist doch dabei.«
»Nicht beim Friseur. Und überhaupt – er wollte nur die Fotos abholen. Das dauert auch keine vier Stunden.«
Gabi hatte die überzeugende Idee. »Und wenn die Bilder noch nicht fertig waren? Da hat Walter eben darauf gewartet – und Mami mit.«
»So kann es sein, natürlich, genauso!« Wolters beruhigte sich sichtlich. »Diese Erklärung ist logisch. Bravo Gabi. Trotzdem gehe ich jetzt mal zum Ort und sehe nach.«
»Wir gehen alle mit!« rief Manfred gewitzt. »Am Eisstand vorbei.«
»Dann los! Mami wird ganz schön sauer sein, daß sie so lange warten muß.«
Es wurde ein kurzer Weg. Auf der Strecke zum Strandparkplatz kamen ihnen Dorothea und Walter schon entgegen.
Im ersten Augenblick durchfuhr es Wolters: Himmel, was schleppt Walter da für eine Frau an! Das ist ja eine Bombe! Dann breitete sich in ihm eine lähmende Schwäche aus, die zu einer totalen Leere im Gehirn führte und aus der er erst zu sich kam, als hinter ihm Gabi begeistert ausrief:
»Toll! Das ist ja Spitze, Mami! Phänomenal!«
Hermann Wolters' Hals war total zugepreßt, als sie sich gleich darauf gegenüberstanden. Walter grinste.
»Hat etwas länger gedauert, Paps. Kleine Wunder brauchen eben ihre Zeit …«
»Dorothea …« Wolters' Stimme kam wie aus Nebeln. »Darf man fragen …«
»Man soll die Neuzeit nie ignorieren … Einer deiner Leitsätze!«
»Das war historisch gemeint.«
»Man kann ihn auch wörtlich nehmen, dann ist er aktueller. Ich habe mich entschlossen, dem Modetrend zu folgen. Bevor du etwas dazu sagst: Ich habe mich daran erinnert, daß ich erst vierzig bin und damit in einem Alter, in dem eine Frau ihrem Höhepunkt entgegenlebt.«
»Bravo!« sagte Walter provozierend. »Bravissimo! Sono appassionato del Mama!«
»Wo ist der nächste Nervenarzt?« fragte Wolters steif. »Dorothea, willst du in dieser Maskerade noch länger herumlaufen?«
»Heute, morgen, übermorgen. Immer von jetzt an, Muckel!« sagte sie aufsässig. »Ich fühle mich herrlich jung!«
»Mit roten Haaren?«
»Andere tragen Waikikihemden …«
»Mit diesem Fähnchen am Leib …«
»Es gibt Leute, die in einem Herrentanga herumlaufen und damit kokettieren …«
»Ich habe die Dinger weggeworfen!« schrie Wolters.
»Das habe ich bei meinem Fähnchen nicht vor …«
»Warum auch …«, sagte Walter genüßlich. »Das hättet ihr sehen müssen, die ganze Piazza stand kopf. Die Männer hielten ihre Hosen fest …«
»Wir fahren sofort nach Hause!« sagte Wolters in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Sofort!«
»Und mein Eis?« rief Manfred.
»Ruhe! Es geht um mehr als um Eis! Das verstehst du noch nicht!«
»Paps«, sagte Gabi leise.
»Ruhe!! Zu den Wagen! Auch du, Walter. Mit dir rede ich noch besonders. Ich bin schon vieles gewöhnt, ich habe schon manches ertragen, aber hier stoße ich an Grenzen. Dorothea, woher hast du überhaupt das Geld für solche Ausgleitungen?«
»Von mir!« erklärte Walter schnell. Welch ein Drama, wenn Paps von Mamis heimlicher Kasse erfuhr!
»Von dir? Bafög oder Rubel aus Moskau?«
»Du weißt doch, daß ich in Bamberg auf der Straße Gitarre gespielt habe. Da kam allerhand zusammen.«
Wolters brach das Thema ab. Der Auftritt seines Sohnes als Straßensänger gehörte zu seinen dunkelsten Erinnerungen. Sogar sein Oberstudiendirektor hatte zu ihm gesagt: »Lieber Kollege Wolters, was sich Ihr Walter da wieder leistet – nein, nein!« Und hatte erschüttert den Kopf geschüttelt.
Im Ferienhaus brach Manfred in Jubel aus – die drei Hähne waren wieder da. Sie saßen auf dem Tisch der Terrasse und hatten ihn vollgeschissen. Wolters stürmte ins Haus, warf sich in einen Sessel und wartete auf Dorothea
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