Mit Familienanschluß
eine Bar gehen und einen trinken würde …«
»Das bleibt dir überlassen. Wenn's dir Spaß macht … mir hat es jedenfalls Spaß gemacht.«
»Das sind ja völlig neue Töne!« sagte Wolters entsetzt. »Das stellt ja alle Moralbegriffe auf den Kopf.«
»Was haben zwei Gläser Wein mit Moral zu tun?«
»Zwei Flaschen! Am hellen Vormittag! Nennst du das normal? Und morgen abend willst du nach Imperia zum Konzert – mit einem wildfremden Mann …«
»Fremd ist er mir ja nun nicht mehr«, sagte Dorothea satanisch. »Und ob er wild ist, wird sich noch herausstellen …«
»Ich finde keine Worte mehr!«
»Das ist das beste, was du tun kannst.«
»Mein Gott, was ist denn bloß in dich gefahren?«
»Der Blitz der Erkenntnis, daß ich zwanzig Jahre nachzuholen habe. Noch kann ich das bei meinem Aussehen. Zwanzig Jahre lang, Tag und Nacht, war ich nur für dich da – und was war der Dank? Vorträge über die Pflichten der phönizischen Frauen!«
»Aber waren wir denn nicht glücklich – wir alle? Wir sind doch eine fabelhafte Familie … eine homogene Einheit! Was fehlt dir denn? Luxuskleider, ein teurer Wagen, Opern und Sinfonien, der Strand von Miami, Brillanten an jedem Finger? Ich bin nur ein kleiner Studienrat, Dorothea, und das wußtest du vorher, als du am Altar ja gesagt hast. Ich kann nicht mehr für dich tun, als ich verdiene – und ich kann nicht mehr verdienen, soviel ich auch tue! Ich bin Beamter!« Hermann Wolters sah seine Frau mit tatsächlich umflorten Blicken an. »Aber wenn du meinst … wenn du glücklich bist in Modena mit Maserati und Villa … Wir werden es mit den Kindern besprechen …«
»Du nimmst das also hin? Du stellst Fakten zusammen, machst einen Strich darunter, addierst alles und sagst: Da muß ich passen. – Du denkst nicht daran, zu kämpfen?«
»Gegen Millionen? Und wenn du nicht willst …?«
»Ich kenne Enrico erst seit ein paar Stunden – und schon disponierst du mit kühlem Kopf …«
»Kühl? Wenn du wüßtest, wie es in mir aussieht …«
»Dann zeig es doch mal, zum Donnerwetter!« Dorothea schlug mit der Hand auf den Tisch. In ihrer Erregung, mit ihren blitzenden Augen wurde ihre Schönheit zu einem echten Erlebnis. »Sei kein Geschichtsbuch mit zwei Beinen – aber spiel auch nicht den lächerlichen Westentaschencasanova mit Tangahöschen! Ach Gott, was rede ich überhaupt! Enrico würde anders handeln …«
»Jeder Mensch hat ein anderes Naturell. Sein spezifisches.« Wolters wischte sich die Augen. »Was soll nun werden, Dorothea? Du fährst morgen mit diesem Enrico zum Konzert nach Imperia?«
»Ja.«
»Dann gibt es nichts mehr zu sagen.« Er stand auf. Sie blickte ihn an und hatte in diesem Moment tiefes Mitleid mit ihm.
»Du kannst dich ja um Eva kümmern.«
Und da schoß Wolters genau falsch zurück. Es war wie ein Eigentor beim Fußball. Er antwortete nämlich: »Das werde ich auch! Wir beide haben uns nichts mehr vorzuwerfen – was auch geschieht!«
»Was soll denn geschehen?« fragte sie, jetzt doch erschrocken. Plötzlich war ihr ganzes Rachegebäude auf schwankenden Fundamenten errichtet. Sie hatte gehofft, Hermann würde wie ein Stier gegen Tornazzi vorgehen. Statt dessen blieb er in der Defensive und spielte mit dem lustvollen Gedanken, mit Eva allein zu bleiben, wenn sie, Dorothea, mit Enrico herumzog. Wenn das wirklich geschah, reichte aller Kitt der Welt nicht aus, diese Ehe wieder zu kitten.
»Was geschehen soll?« wiederholte Wolters Dorotheas Frage. »Warten wir ab, wie die Dinge sich entwickeln.«
»Eva könnte deine Tochter sein.«
»Zwischen Mann und Frau von Altersunterschieden zu reden, wäre eine Verkennung innerer, biologischer Vorgänge. Ein Mann altert eigentlich nie …«
»O Himmel! Daraus könnte man einen Werbeslogan machen!«
»Es kommt immer auf die Partnerin an!« fuhr Wolters unbeirrt fort. »Ein Mann verliert nie seine Reizschwelle. Aber so etwa muß man wecken können …«
»Mit einem dreiundzwanzigjährigen Busen!«
»Zum Beispiel! Das dafür zuständige Hirnzentrum reagiert sofort.«
»Ich glaube, weitere Worte erübrigen sich!« sagte Dorothea, innerlich sehr unruhig geworden. »Ich gehe ins Bett.«
»Ich werde hier unten schlafen, wie immer!« sagte Wolters steif. »Vielleicht fahre ich heute nacht noch weg …«
»Wohin denn?«
»Nach Diano. In eine Bar! Irgendwelche Einwände?«
»Keine. Viel Vergnügen.«
»Das hoffe ich.«
Tatsächlich verließ Wolters eine Stunde später das Haus und stieg in
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