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Mit Familienanschluß

Mit Familienanschluß

Titel: Mit Familienanschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vergnügens zufriedenzugeben.
    Hermann und Dorothea fuhren ins Ferienhaus zurück. Es war Dorothea unmöglich, sich so verweint und zutiefst erschüttert wieder an den Strand zu legen und Erholung zu heucheln. Außerdem schwoll Wolters' Auge zu, sein Kopf brummte, und sein Nasenbein stach. Tornazzi hatte eine große Faust, aber leider – oder Gott sei Dank – ein gläsernes Kinn.
    »Ich habe essigsaure Tonerde und Alkohol hier«, sagte Dorothea, als man im Haus war. »Du mußt das Auge kühlen. Berufsboxer legen sogar rohes Fleisch auf.«
    »Das habe ich lieber gebraten auf dem Teller!« Wolters ließ sich in seinen Stammsessel fallen und streckte die Beine von sich. »Hast du gesehen, wie er umkippte? Ein Schlag genügte …«
    »Es war fürchterlich, Muckel!«
    »Und solch ein Schwächling wollte meinen Platz bei dir einnehmen? Eine Schande!«
    »Niemand wollte deinen Platz einnehmen. Das war alles nur ein Irrtum von dir.«
    »Dieser schamlose Kuß auf der Piazza war ein Irrtum? Das willst du mir einreden? Haltet ihr mich denn für total blöd?«
    »Es geschah gegen meinen Willen.«
    »Aber du hast stillgehalten!«
    »Ich war wie gelähmt – und dann warst du schon da!«
    »Und nun?« fragte Wolters. Er hielt still, als Dorothea ihm eine Kompresse mit Alkohol aufs Auge legte.
    »Was nun?« fragte sie.
    »Das will ich von dir wissen. Wie soll es weitergehen?«
    »Wir haben noch knapp vier Wochen Ferien vor uns.«
    Wolters drückte die Kompresse auf sein Gesicht. »Wird das Auge bis heute abend wieder abschwellen?«
    »Ich fürchte nein. Blau und gelb wird es werden.«
    »Ich kann ja Walters Augenklappe tragen. Mir kann etwas ins Auge geflogen sein. Ein Sandkorn oder so …«
    »Keiner wird darauf achten. Aber warum ist dir das so wichtig?«
    Wolters legte den Kopf auf die hohe Sessellehne und hielt seine Alkoholkompresse fest.
    »Ich habe zwei Karten«, sagte er leise. »Für das Sinfoniekonzert in Imperia.«
    Onkel Theo und Tante Frida trafen an einem Freitag in Diano Marina ein. Es war nicht abzuwenden; ein Telegramm kündigte sie an. Tante Frida erreichte das Ferienhaus mehr tot als lebendig. Onkel Theo hatte darauf bestanden, von Düsseldorf nach Nizza zu fliegen, nachdem Frida in Bad Pyrmont eingetroffen und Onkel Theos Bekanntenkreis, der aus lauter rüstigen Greisen bestand, als letztes Fossil der Familie vorgeführt worden war. Schon das war arg gewesen, denn die fröhlichen Witwer hatten nicht mit Witzen aus der Schatzkiste knallharter Zoten gespart, die Tante Frida stumm leidend hatte ertragen müssen.
    Der Flug war ebenfalls eine unvorstellbare Marter gewesen. Frida hatte zum ersten Mal in einer solchen Maschine gesessen und insgeheim auf den Absturz gewartet. Onkel Theo hatte diese Erwartung noch genährt, indem er gesagt hatte:
    »Jetzt sind wir zehntausend Meter hoch. Wenn wir abstürzen, kommen wir unten in Pulverform an.«
    Oder er hatte aus dem Fenster geblickt und erschrocken gerufen: »Die Alpen! Mein Gott, was fliegen wir niedrig! Wir rammen gleich einen Berg!«
    Eine besondere Glanzleistung war allerdings gewesen, daß er plötzlich hochgefahren war, die Hände an die Ohren gelegt und gestottert hatte: »Da stimmt doch was nicht! Da ist doch ein Motor ausgefallen. Man hört's ganz deutlich! Da! Rrrrrrr! Mein Gott, wir werden in den Felsen notlanden und zerschnellen … Frida, schnall dich an und zieh die Schuhe aus …« Darauf hatte er leise gebetet.
    Wen wundert es jetzt noch, daß Onkel Theo einen Großneffen wie Manfred Wolters hatte!
    In Nizza hatte Onkel Theo einen Leihwagen bestellt. Der hatte auch am Flughafen bereitgestanden, ein kleiner Fiat war's, und mit diesem Auto hatte Onkel Theo eine Küstenfahrt über Monaco, Menton, Ventimiglia, Bordighera, San Remo und Imperia unternommen, die man einem guten Siebziger nie zugetraut hätte. Viermal hatten Polizisten seine Wagennummer notiert, dreimal waren sie nur durch Theos Geistesgegenwart einem Frontalzusammenstoß entgangen.
    Niemand konnte demnach Tante Frida das Recht absprechen, völlig entnervt im Ferienhaus anzukommen. Sie wankte ins Wohnzimmer, sank auf die Couch und lallte mit versagender Stimme:
    »Nur noch einen Kilometer, und ihr hättet mich begraben können! Theo ist ja ein Irrer!«
    Im Gegensatz zu ihr war Onkel Theo putzmunter und sich durchaus dessen bewußt, was einem Lebemann wie ihm zustand. Er küßte Dorothea, küßte Gabi und küßte Eva, ohne viel zu fragen. ›Mit Familienanschluß‹ umfaßt eben auch solche

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