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Mit Familienanschluß

Mit Familienanschluß

Titel: Mit Familienanschluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Marina war für ihn Provinz – und gerade hier traf er auf die Frau, die alle Grundsätze seines Witwerdaseins wie ein Tornado wegfegte.
    Tornazzi hatte Glück … Er sah Dorothea zur Piazza kommen, verführerisch jung in einem weiten Strandrock in den Farben ihres Badeanzugs, der das Oberteil ihrer Kleidung bildete. Diese Kombination war im vergangenen Jahr an der Nordsee die teuerste Anschaffung gewesen und immer noch schick und modern.
    Tornazzi spürte den Elan vergangener Jahre in sich aufsteigen, sprang von seiner Bank hoch und eilte mit langen Schritten Dorothea entgegen. »Bellissima!« schrie er schon von weitem. »Du kommst zu mir! Ich glücklich! Darf ich küssen Sie …«
    Ehe die entsetzte Dorothea ihn abwehren konnte, hatte er sie umfaßt, an sich gerissen und küßte sie glühend auf die Lippen.
    Er war ein kraftvoller Mann, es gab kein Entrinnen, und so geschah es, daß Dorothea nach zwanzig Jahren ihren ersten, heißen, außerehelichen Kuß empfing. Es war ein ungeheuerliches Gefühl!
    Hermann Wolters, der gerade die Strandstraße überquert hatte und die Piazza betrat, blieb wie erstarrt stehen. Er war bereit gewesen, Dorothea den kleinen Ausrutscher zu verzeihen, aber diese maßlose Schamlosigkeit, die er jetzt sah, diese innige Umarmung, die geradezu einer öffentlichen Kopulation glich, zerstörte alle Duldungsbereitschaft.
    Aber leider auch jede Vernunft!
    Was nun folgte, erinnerte an die alten Stummfilme, wo man zur Steigerung der Komik die Szenen zu schnell drehte.
    Wolters stürzte vor, riß Tornazzi mitten aus seiner Kußorgie und versetzte ihm einen Stoß. »Sie Flegel!« brüllte er. »Sie Saukerl!«
    »Muckel!« stammelte Dorothea. Sie war weiß wie ein Schwan. »Muckel, laß dir doch erklären … sei vernünftig …«
    Wie kann man vernünftig sein, wenn die eigene Frau in aller Öffentlichkeit mit einem fremden Mann Intimitäten austauscht? Solche Wünsche sind irreal.
    Tornazzi wäre kein Italiener gewesen, wenn er nicht sofort reagiert hätte. Da hatte ihn einer von der geliebten Frau weggerissen, hatte ihm einen Stoß gegeben … Ein Jahrhundert früher hätte das vollauf für ein tödliches Duell genügt. Aber da diese Art der Ehrbereinigung nicht mehr zulässig war, setzte Tornazzi das moderne Mittel ein: Seine Faust schnellte vor und traf Wolters voll auf das linke Auge.
    Im Gegensatz zu seinem Sohn Walter, der von einem ähnlichen Schlag eine Minute lang benommen und wie paralysiert gewesen war, steckte Hermann Wolters, sonst der unsportlichste Mensch Bambergs, diesen Treffer weg wie ein Profiboxer. Er stand, nahm Maß und schlug dann voll zurück.
    Zu seiner größten Verblüffung verdrehte Tornazzi die Augen, drehte sich halb um die eigene Achse und sank in den Piazzastaub. Einen Schlag genau auf den Punkt, auf die Kinnspitze, übersteht auch ein Weltmeister nicht, geschweige denn ein vornehmer älterer Herr. Es war ein Glückstreffer – aber warum sollte Hermann Wolters nicht einmal in seinem Leben großes Glück haben?
    Die Folgen ergaben sich schnell. Die Polizei erschien, hob Tornazzi auf, brüllte Wolters an, beruhigte die weinende Dorothea und nahm alle mit zur Wache.
    Dort wurde mit lautstarken Wortkaskaden geklärt, daß es sich um ein ganz normales Eifersuchtsdrama von Seiten des Ehemannes handelte, dem die Kußdemonstration seiner Frau mit einem heimlichen Liebhaber nicht sonderlich gefallen hatte.
    In Seebädern ist die Polizei solcherlei Begebenheiten gewöhnt. Sie gehören zum täglichen Brot. Nach Feststellung aller Personalien und dem Hinweis, jeder könne eine Privatanzeige wegen Mißhandlung oder Körperverletzung erstatten, ließ man die Herrschaften wieder laufen.
    Walter war zwischenzeitlich zum Strand zurückgerannt, nachdem er aus der Ferne der dramatischen Komödie zugesehen hatte.
    »Die Polizei hat Paps verhaftet!« berichtete er und war rein aus dem Häuschen.
    »Aber das ist ja schrecklich«, schrie Gabi auf. »Was hat er denn angestellt?«
    »Er hat von Tornazzi eins aufs Auge bekommen, erinnerte sich daran, daß er ebenfalls Muskeln und einen Bizeps hat, und schlug Tornazzi auf der Piazza mit einem hervorragenden rechten Haken k.o. Wer hätte das dem Alten zugetraut! Ich bin richtig stolz auf ihn. Endlich lebt er nicht mehr im alten Rom …«
    Enrico Tornazzi verließ noch an diesem Mittag Diano Marina und kehrte nach Modena zurück. Er schwor sich, nie mehr zu heiraten und sich in Notfällen nur noch mit dem Kauf eines vorübergehenden

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