Mit Familienanschluß
Gunstbezeigungen.
Walter wurde von Onkel Theo freundschaftlich in die Rippen geboxt, Manfred bekam einen Kassettenrecorder mit Kopfhörer zum Geschenk, und zu Hermann Wolters sagte er:
»Mein Lieber, der erste Eindruck ist beeindruckend.« Dabei musterte er Eva von oben bis unten und ließ seinen Blick lange auf ihrem Busen haften. Nur gesetzte Herren verfügen über solch einen schamlos ausdauernden Blick. »Du hast eine vorzügliche Wahl getroffen. Hab ich einen Durst! Von Nizza bis hierher hat Tante Frida wahre Lustschreie ausgestoßen. Das greift einen an. Hast du Wein da?«
»Nach dieser Fahrt möchtest du sofort Wein?« fragte Dorothea ungläubig.
»Ja, denkst du denn, ich komme an die Riviera, um Wasser zu saufen?« Onkel Theo blinzelte Eva zu und reckte die Schultern. »Mein schönes, blondes Kind, reiche mir den Met! Wie ruft Siegmund in der ›Walküre‹? ›Ein Quell, ein Quell!‹ – Holde, reiche mir den Becher.«
»Das kann ja heiter werden«, flüsterte Walter Gabi zu, als sie gemeinsam die Koffer ins Haus schleppten. »Heute will er den Becher, morgen die ganze Maid! Man sollte die Alten nie ohne Halsband herumlaufen lassen.«
Die Zimmerverteilung war geklärt worden, nachdem Walter es durchgesetzt hatte, daß er weiterhin allein schlafen durfte. Eine Einquartierung von Manfred hatte er kategorisch abgelehnt. So schlief also Manfred bei den Eltern auf einer Matratze, die man vor den Betten auf die Erde legte. Der Kleine fand das dufte – im Gegensatz zu Hermann Wolters, der nach Beilegung der Tornazziaffäre eigentlich die eheliche Zweisamkeit bevorzugt hätte.
Tante Frida ließ der erste Eindruck keine Ruhe. Während Gabi in der Küche das Abendessen vorbereitete und Onkel Theo unter Loslassung frecher Sprüche half, die Schafe und Ziegen in den Stall zu treiben, zumal Eva mit Walter Stalldienst hatte, erschien die Tante im Schlafzimmer und sah zu, wie sich Dorothea für den Abend frisch machte.
»Du hast jetzt rote Haare?« fragte sie.
»Ja.«
»Und das willst du so lassen?«
»Warum nicht?«
»Sehr auffällig für eine Mutter von erwachsenen Kindern.«
»Man soll Mütter nie nach ihrer Haarfarbe beurteilen, Tante Frida. Hermann gefällt es – das ist die Hauptsache.«
»Hast du dir diese Eva eigentlich mal genau angesehen, Dorothea? Ihre Augen, ihren Gang, ihre Sprache? Die zielt doch nur auf Hermann ab!«
»Eva studiert Pädagogik. Sie wird Lehrerin – wie du!«
»Trotzdem gefällt sie mir nicht. Überhaupt, die junge Lehrergeneration – man bekommt das kalte Grausen. Diese Eva ist genau der Typ, der kalt auf ein Ziel zusteuert. Vorhin, als Hermann einen Scherz machte, bog sie sich geradezu ordinär nach hinten. Bei der engen Bluse … Man konnte alles sehen. Sie hatte nichts darunter an, völlig nackt war sie, nur um die Männer verrückt zu machen. Dorothea, schaff dir diese Person schnell aus dem Haus.«
Sämtliche Erwartungen wurden bereits in den ersten Stunden erfüllt: Eine friedvolle Zeit lag vor der Familie. Das wurde sofort klar, als sich Onkel Theo beim Abendessen neben Eva setzte und sagte: »Ab heute ist das mein Stammplatz. Evas Anblick regt meinen Appetit an.«
Und Tante Frida flüsterte Dorothea zu: »Habe ich es nicht gesagt? Du nährst eine Schlange an deinem Busen. Halt bloß die Augen offen, meine Kleine.«
Noch am späten Abend sang Onkel Theo, der Unverwüstliche, ein italienisches Liebeslied und rief dann hemmungslos: »Und jetzt, Hermann, machen wir ein Faß auf! Laß die Weiber ins Bett gehen – wir nuckeln noch einen. Als Büblein klein an der Mutter Brust …«
Man durfte gar nicht daran denken, daß eine volle Woche mit Onkel Theo und Tante Frida vor einem lag …
Vier Tage lang verlief zum großen Erstaunen der ganzen Familie allerdings alles in geregelten Bahnen, wenn man davon absah, daß sich Onkel Theo manchmal geradezu flegelhaft benahm. Denn erstens war er ein alter Mann, dem man einen bestimmten Grad der Verkindlichung zugestand, zweitens gewöhnt man sich an Boshaftigkeiten, und drittens war der Onkel das herumwandelnde Erbe.
Am Strand spielte er nur mit Eva und Manfred, mietete großzügig ein schnittiges Motorboot mit Schiffsführer, das soviel kostete wie eine Woche Hotelaufenthalt, ließ die ganze Familie die Küste hinauf und hinunter schippern, und für alle war es ein einmaliges Erlebnis, die Riviera vom Meer aus zu besichtigen. Onkel Theo aber freute sich wie ein Kind, als er hinterher sagen konnte:
»Jetzt ist das
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