Mit Fünfen ist man kinderreich
vor einem Arzt mit drei Doktortiteln. Lateinische Namen kann schließlich jeder auswendig lernen, aber sich in einem seitenlangen Schaltplan auszukennen und A 178 dann auch noch im Fernsehapparat als stecknadelkopfgroßes Pünktchen wiederzufinden, empfinde ich als Höchstleistung menschlicher Intelligenz. Jedenfalls lehnte ich jede Meinungsäußerung ab, als sich die Zeltbauer nicht einigen konnten, ob mit dem großen D römisch IV nun das Vorzelt oder nur eine Seitenwand bezeichnet war. Schließlich falteten sie das Papier zusammen, meinten, es gehe auch ohne und holten neues Bier.
Nach dem Mittagessen hielten sie zunächst ein ausgiebiges Schläfchen, denn bekanntlich soll man nach einer Mahlzeit etwas ruhen. Außerdem hatte die Werkstatt angerufen und mitgeteilt, daß die Reparatur 1. völlig unmöglich, 2. sehr zeitraubend und 3. nur mit nicht vorhandenen Ersatzteilen durchzuführen sei. Letztere müßten erst besorgt werden, was mindestens zwei Tage dauern würde. Also schliefen Felix und Marianne auch in der nächsten Nacht im Gästezimmer, während Max und Moritz bei Sven und Sascha untergebracht wurden. Diesmal durften wir alle eine halbe Stunde länger schlafen, dann fiel Max von der Campingliege.
Am vierten Tag endlich – es war ein Sonntag, und die Werkstatt hatte mitgeteilt, daß das Auto am Montag wieder fahrbereit sein würde – wurde mit dem Aufbau des Zeltes begonnen. Nun waren auch genügend jugendliche Zuschauer gekommen, die Vorstellung konnte also beginnen. Marianne und ich hatten von vornherein jede Mitwirkung abgelehnt mit der Ausrede, uns ums Essen kümmern zu müssen. In Wahrheit hatten wir nicht die geringste Lust, wie verhinderte Pfadfinder im Garten herumzurutschen und irgendwelche Stricke um irgendwelche Haken zu wickeln.
Die Zwillinge waren auch begeistert. Sie drückten sich ihre Näschen an dem Gitterzaun platt und hatten endlich mal genügend Unterhaltung.
Sven, der einzige praktisch Veranlagte in unserer Familie, hatte ziemlich schnell das Zeltknäuel entwirrt und verglich die vorhandenen Haken mit den Schlaufen, die überall an den Stoffrändern befestigt waren. »Da fehlt aber eine Menge Häringe«, stellte er fest.
»Bas behlt?« Felix hatte den Mund voller Nägel und die Hände voller Aluminiumstangen.
»Häringe! Notfalls kann man Vierkanthaken nehmen, aber wenn es windig wird, halten die nicht lange.«
»Was sind Heringe?«
»Häringe mit ä«, erklärte Sven geduldig. »Das sind Zelthaken, die man in den Boden schlägt.«
»Aha! Und die fehlen?«
»Ich habe jedenfalls nur vier Stück gefunden.«
»Dann müssen wir eben welche kaufen. Ich habe sowieso das Gefühl, hier fehlt noch einiges. Da hinten ist ein Loch im Zelt. Kann man das mit Fahrradflickzeug reparieren?«
»Weiß ich nicht, aber unseres ist alle. Kauf genügend von dem Zeug, das ganze Zelt sieht ziemlich mürbe aus.«
»Ich habe es aber von einem guten Kunden gekauft, und der hat behauptet, er habe nur einmal drei Wochen lang damit gezeltet.«
»Und weil es ihm so viel Spaß gemacht hat, schläft er in diesem Jahr lieber wieder in einem Hotel, nicht wahr?« Rolf grinste.
»Der schläft in überhaupt keinem Hotel, der sitzt. Hat irgendein krummes Ding mit Steuergeldern gedreht und ist trotzdem pleite gegangen.«
»Das Zelt stammt wohl aus der Konkursmasse?«
»Quatsch, das habe ich schon vorher gekauft.«
»Und du hast es noch nie aufgebaut?«
»Wo denn, auf dem Balkon vielleicht?«
Bis zum Abend war es den vier Zeltbauern einschließlich mehrerer Hilfsarbeiter aus dem Zuschauerkreis gelungen, die Wände aufzurichten und mit Hilfe von Wäscheleinen, die an Büschen und am Mäusekäfig festgebunden wurden, halbwegs zu stabilisieren. Der Reißverschluß vom Dach klemmte, aber »das liegt sicherlich daran, weil das ganze Zelt etwas schief steht«, beruhigte Felix. »Der Boden ist ja auch ziemlich uneben.«
Marianne befaßte sich inzwischen mit einem schwärzlichen Gegenstand, von dem ihr Mann behauptet hatte, es sei der Campingkocher. Sie drehte das Ding mehrmals herum, besah es sich von allen Seiten und fragte mich ratlos: »Weißt du, wo hier oben ist?«
Sven kam.
»Kannst du damit umgehen?«
Er konnte. Er brachte sogar etwas Weißes an, das irgendwo in dieses schwarze Monstrum geschoben und dann angezündet wurde. Erst zischte es, eine Stichflamme schoß empor, und dann brachten wir den Kocher zum Explodieren in den Garten. Er gurgelte noch eine Weile friedlich vor sich hin und zerfiel dann
Weitere Kostenlose Bücher