Mit Haut und Haar (German Edition)
seufzte und bedachte Clarissa mit einem sehnsüchtigen Blick. »Bitte morgen, ja?«
»In Ordnung.«
In diesem Moment kam Daniel wieder auf sie zu.
»Kompliment, Liebling«, sagte er, und küsste Clarissa auf die Wange. »Deine Bilder sind großartig.«
»Ich hoffe, das ist Ihnen früher auch schon aufgefallen«, sagte Patrizia. »Übrigens hätte ich nichts dagegen wenn wir uns duzen, mit Clarissa duze ich mich ja auch.«
Daniel nickte. »Fein.« Er räusperte sich. »Und natürlich ist mir aufgefallen, dass die Bilder großartig sind, aber sie wirkten ja zu Hause eigentlich kaum. Clarissa hielt sie oben in ihrem Zimmer praktisch unter Verschluss, hat sie gemalt und an die Wand gelehnt und irgendwann das Nächste dazu gestellt. Hier wirkt das ganz anders, jetzt sind sie gerahmt, sie haben eine tolle Anordnung gefunden und ich bin ziemlich beeindruckt.«
»Das ist schön«, sagte Patrizia. »Sie sind nämlich wirklich ausgezeichnet.«
In diesem Moment betraten zwei Frauen die Galerie, beide etwa Anfang dreißig, eine von ihnen mit Aktentasche und eine andere mit einer sehr teuer wirkenden Kamera um den Hals.
»Oh, die Presse«, sagte Patrizia und lief strahlend auf die beiden Frauen zu, um sie zu begrüßen.
»Presse?« wiederholte Clarissa und sie wirkte im ersten Moment ein wenig erschrocken. Patrizia hingegen wirkte locker und entspannt, plauderte mit den Frauen, stellte sie Clarissa vor und während die eine ein Foto nach dem anderen knipste, zuerst einige von Clarissa, dann einige von Patrizia und schließlich ein paar von den Bildern, kramte die andere aus ihrer Aktentasche einen Block und begann Clarissa ein paar Fragen zu ihren Bildern zu stellen.
»Siehst du«, sagte Patrizia eine halbe Stunde später. »Jetzt hast du sogar schon ein Interview gegeben. Ich rechne mit noch etwas mehr Presse. Morgen solltest du dir jedenfalls die Rundschau kaufen und vor allem in der nächsten Zeit ein wenig nach den kostenlosen Ausgaben schauen, die jede Woche in den Briefkästen landen oder die man in den Geschäften mitnehmen kann.«
Clarissa nickte.
»Rundschau und kostenlose Zeitungen?« fragte Daniel. »Ist das nicht ein bisschen wenig?«
Patrizia grinste. »Daniel, deine Frau malt zwar großartige Bilder, aber noch ist sie unbekannt. Da muss man froh sein, wenn überhaupt Presse kommt.«
»Aber sie ist doch eine regionale Künstlerin, da sollte sich doch die gesamte regionale Presse dafür interessieren!«
»Ach«, sagte Patrizia. »Es klingt vielleicht desillusionierend, aber man kann froh sein, wenn von zehn Journalisten, die man zu einem Event einlädt, wenigstens einer kommt. Was die schreiben erfahren sie meist durch Nachrichtenagenturen und was regionale Events betrifft – nun ja, da will keiner was über jemanden schreiben, der sich noch keinen Namen gemacht hat. Wenn man sich erst mal einen Namen gemacht hat, rennen sie einem die Bude ein. Ich schwöre dir, ich hab noch nie so viel Schleimerei erlebt wie von Presseleuten, wenn sie unbedingt ein Interview mit jemandem haben möchten, der bereits bekannt ist. Es ist illusorisch zu glauben, sie interessieren sich für dich wenn du keinen großen Namen hast.«
»Aha«, sagte Daniel. »Na, dann wollen wir mal hoffen, dass sich heute noch ein paar Gäste hierher verirren.«
»Ich habe mein Bestes getan«, sagte Patrizia und warf selbstbewusst ihren Kopf in den Nacken. »Ich habe die örtliche Presse informiert und zahlreiche persönliche Einladungen rausgeschickt. Das Event ist auch auf meiner Homepage eingetragen und natürlich in den Veranstaltungskalendern von Frankfurt. Zu Ausstellungen kommen die Leute immer nur vereinzelt und meist ohnehin erst am Nachmittag.«
Clarissa langweilte sich trotz Patrizias guter Laune und Zuversicht grässlich. Es war ihr peinlich, auf ihrer eigenen Ausstellung zu stehen, ganz alleine mit ihrer Galeristin und ihrem Ehemann, und in diesem Moment war sie recht froh, dass die Kinder nicht hatten mitgehen wollen. Wahrscheinlich hätten sie sie tagelang damit aufgezogen, dass sie Bilder gemalt hatte, die keiner sehen wollte. Die Kinder verhielten sich oft so bissig und gedankenlos, und wahrscheinlich war das normal in ihrem Alter. Trotzdem war es oft verletzend.
Nacheinander trödelten auch ihre wenigen, aber langjährigen Freunde in der Galerie ein, sahen sich um, gratulierten ihr zur Ausstellung und gingen aber auch recht schnell wieder. Clarissa hatte nichts anderes erwartet, ihre Freunde fanden ihre Bilder alle
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