Mit jedem Herzschlag (German Edition)
jede Frau in ihn, mit der er schlief. Und zweifellos bereitete ihm lediglich die Vorstellung Sorge, wie viel Ärger sie ihm machen würde: eifersüchtige Anrufe, tränenreiche Szenen, verzweifelte Besuche auf seiner Dienststelle …
Aber er war ein Mordverdächtiger auf der Flucht. Und sie war nicht wie all die anderen Frauen, die er kannte. Sie hatte Rückgrat. Sie hatte Charakterstärke. Und sie hatte ihren Stolz.
„Was geschieht jetzt?“, fragte sie mit hoch erhobenem Kopf. Er sollte sehen, dass sie nicht weinte. So ging sie an ihm vorbei in die Küche. Der Raum war groß. Hängeschränke und geflieste Arbeitsflächen an den Wänden, eine Arbeitsinsel mit Spüle mitten im Raum, ein riesiger Holztisch in einer Frühstücksecke. Auch hier waren überall Fenster und Oberlichter, die das Sonnenlicht hereinließen. Zugleich schirmten sie die Bäume und Büsche draußen gegen die Außenwelt ab. Niemand konnte hereinsehen.
„Wir essen zu Mittag.“ Er folgte ihr.
„Das meinte ich nicht.“ Auf dem blitzblanken Herd standen zwei Töpfe, und in der Luft hing der aromatische Duft von Basmatireis.
„Wir bleiben noch eine Nacht“, antwortete er, ging zum Herd und schaltete die Platten aus.
Noch eine Nacht hier im Strandhaus. Allein. Bei Kerzenlicht. Der Gedanke an sie beide in dem riesigen Bett jagte eine Hitzewelle durch Carries Körper. Aber bis zum Abend war esnoch sehr lange hin. Sie wollte nicht so lange warten. Oh Mann, was war sie doch schamlos.
Allerdings gab es für sie ja nur das Hier und Jetzt. Das hatte er ihr selbst gesagt.
„Und dann?“, fragte sie weiter. Ihre Stimme gehorchte ihr nicht recht, und sie räusperte sich.
„Dann versuche ich, Kontakt zu Diego aufzunehmen.“ Um sein verletztes Bein zu entlasten, beugte Felipe sich vor und stützte sich auf der Rückenlehne eines Stuhls ab. Mehrere waren um den großen Holztisch herum gruppiert. Die Muskeln in seinen Armen und Schultern spannten sich an. „Ich hoffe, dass er irgendwelche Neuigkeiten für mich hat. Irgendwas, das mir weiterhilft. Ich muss herausfinden, wer bei der Polizei mir das Ganze angehängt hat.“
„Und wenn er das nicht hat?“
„Dann müssen wir uns ein anderes Versteck suchen. Und ich muss mir selbst etwas einfallen lassen, um die Alarmanlage in Richters Villa auszutricksen und …“
„Aber das ist unglaublich gefährlich!“ Mit offenem Mund starrte Carrie ihn an. Ihr fiel wieder ein, was Rafe gesagt hatte. Felipe ist ebenfalls abhängig. Er ist süchtig nach einem Leben am Abgrund. Süchtig nach dem Risiko. „Das ist Wahnsinn!“
„Alles an dieser Sache ist Wahnsinn“, konterte er.
„Du willst also in das Haus dieses Mannes gehen – nein, einbrechen –, der dich umbringen will?“ Sie begann in der Küche auf und ab zu gehen. Wenn Felipe tatsächlich bei Richter einbrach: Bestand überhaupt eine Chance, dass er lebend wieder herauskam?
„Wenn nötig, ja“, gab er zurück und betrachtete sie bei ihrem ruhelosen Auf-und-ab-Gehen. „Und ich muss es bald tun. Wenn ich zu lange warte, werden sie sich darauf eingestellt haben, dass ich auftauche. Sie wissen, dass ich angeschossen worden bin. Im Wagen ist jede Menge Blut. Sie werden davon ausgehen, dass ich mich vorläufig verstecke, um mich zu erholen.“ Ein verkrampftes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Wahrscheinlich hoffen sie, dass ich an einer Infektion krepiere.“
Sie hielt inne. „Wie geht’s deinem Bein?“
„Besser.“
„Ehrlich?“
„Na ja, es wird jedenfalls nicht schlimmer.“
„Und du glaubst wirklich, dass du morgen so weit bist, von hier fortgehen zu können?“
„Ich muss. Wir können nicht viel länger bleiben. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Lieferwagen entdeckt und die Polizei die richtigen Schlüsse zieht.“
„Ich könnte ihn wegfahren und irgendwo anders abstellen“, schlug sie vor.
„Ohne mich? Keine gute Idee. Weißt du noch?“ Er lächelte, um seinen Worten die Schärfe zu nehmen.
Keine gute Idee. Und doch immer noch eine bessere Idee, als sich in diesen Mann zu verlieben. Sich in Felipe Salazar zu verlieben war so ziemlich die dümmste Idee, die ihr in ihrem gesamten fünfundzwanzigjährigen Leben gekommen war.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schaute zu Boden. „Sieht so aus, als hätte ich zurzeit nur dumme Ideen“, sagte sie.
Er schwieg sehr, sehr lange. Erst als sie ihn wieder ansah, machte er den Mund auf. In seiner Miene erkannte sie tiefe Traurigkeit und
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