Mit Maedchen ueber Duran Duran reden - Ein junger Mann auf der Suche nach der wahren Liebe und einem coolen Haarschnitt
Dunkelheit unseres gemieteten Privatraums. Ich bleibe nie sitzen – wenn ich hierherkomme, lautet die Devise: strut, pout, put it out .
Alle unsere Freunde haben ihre Favoriten beim Karaoke. Melissa geht das Madonna-Repertoire durch. Niki hält sich an die Balladen von Stevie Nicks, wie zum Beispiel »Sara«. Nils gehören die Songs von Lionel Richie, weil er denselben Stimmumfang hat wie er. Niemand wagt sich an Lionel Richie, wenn Nils dabei ist. Früher habe auch ich mal »Easy« gesungen, aber inzwischen lasse ich die Finger davon. Caryn und ich wollen immer denselben Ashlee-Simpson-Song, nämlich »La La«, singen, also ist es jedes Mal ein Wettlauf, wer zuerst am Mikro ist. Kevin macht Chaka Khan so gut nach, dass er sich »I Feel for You« von mir stibitzt hat. Aber eines schönen Abends werde ich mir den Song zurückholen.
Zu dem ganzen Karaokespaß zählt natürlich auch der Kater am nächsten Morgen, wenn ich in meinem Notizbuch blättere, um mir in Erinnerung zu rufen, welche Titel und Songbooknummern wir gesungen haben. Ach ja, »Total Eclipse of the Heart«! Das war unsere Nummer. Warte, wer hat gestern noch mal »My Prerogative« gesungen?
Aber letztendlich läuft es immer auf Lieder aus den Achtzigern hinaus. Wenn man zu einem x-beliebigen Zeitpunkt eine x-beliebige Karaokebar betritt, wird man immer wieder dieselben zwei Songs zu hören bekommen: »Don’t Stop Believin’« und »Livin’ on a Prayer«. Und ziemlich sicher singt ein gemischtes Doppel zwischendurch auch mal »Don’t You Want Me«, aber am Ende schließt sich der Kreis wieder mit den zwei großen Hits.
Der Musikstil der Achtzigerjahre hat einfach von Natur aus etwas Karaokekompatibles – das überproduzierte Schlagzeug, die Saxophonsolos wie aus einer Bierwerbung, die Umhängekeyboards, der melodramatische Gesang. Ein Achtziger-Jahre-Song gehört nicht seinem Sänger, anders als ein James-Taylor- oder ein Stevie-Wonder-Song. Die Lieder aus dieser Zeit klingen nicht, als bringe eine Person darin ihre Gefühle zum Ausdruck, sondern eher wie eine gigantische Soundmaschine, die diese Gefühle in selbstironische Höhen bläst. Für manche Leute ist das ein Grund, die Musik der Achtziger abzu lehnen, doch für mich ist gerade die Übertreibung Teil des Spaßes. Achtziger-Jahre-Songs klingen von vorn herein nach Karaoke.
In den Achtzigern war ich nie beim Karaoke, aber jetzt verbringe ich all meine Karaokezeit damit, diese Jahre wieder aufleben zu lassen. Ich gehe zum Karaoke, um die Achtziger auf eine Art auszuleben, wie es mir damals weder emotional noch in meinem Handeln möglich war. Denn heute kann ich mir die Stilettos von Sheena oder Chaka problemlos anziehen. Und während ich mich früher höchstens getraut hätte, die Songs allein in meinem Kämmerlein zu singen, habe ich heute ein Mikro und mein Publikum.
Manchmal katapultiert einen Karaoke auch zurück zu den Erinnerungen, die mit dem jeweiligen Song für einen selbst verbunden sind. Wenn Ally mit ihrer Freundin Marisa singt, dann sind die zwei die einzigen Personen im Raum. Schon in der Highschool waren sie beste Freun dinnen, weil beide von ihnen U2-Aufkleber auf dem Spind hatten. Sie sangen zusammen den Nirvana-Song »Drain You« und taten so, als seien sie die beiden »Babys« aus dem Song. Sie haben zahllose Abenteuer zusammen erlebt, von denen sie ihren Ehemännern nie erzählen werden, außer beim Karaoke.
Immer wenn sie George Michael singen, kichern sie. Da gibt es sicher irgendeine Anekdote, in die ich nicht eingeweiht bin.
Das Mikro hat jede Menge Hall, also kann jeder, der in Wirklichkeit keine einzige Note trifft (wie ich), so tun als ob. Auch das ist irgendwie Achtziger. Karaoke ist die Show, bei der man INXS nicht gleich mit nach Hause nehmen muss, wenn man für ein paar Minuten in ihre Rolle geschlüpft ist und sich dabei nicht wohlgefühlt hat.
Eines Abends, als wir alle Boy-George-Lieder durchgingen, sang Ally »The Crying Game«, einen Song, den ich nicht ertragen kann, weil er mich immer schrecklich melancholisch macht – jeder hat solche Songs. Traurige Lieder sind wie die Barkeeper in diesen alten Schwarz-Weiß-Krimis. Sie leihen einem ein mitfühlendes Ohr. Aber manchmal haben sie schon zu viel Zeit damit verbracht, anderen Leuten beim Jammern und Heulen zuzuhören. Manchmal muss man den Song eine Weile in Ruhe lassen, damit er sich erholen kann. Es ist wie in diesem Film, in dem Richard Widmark den harten Typen spielt, der an der Bar sitzt,
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