Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
Shannon geholfen, die Bücher zu sortieren, die ich lesen muss. Sie sorgt sogar dafür, dass mir die Kopfhörer nicht von den Ohren rutschen.
Die »normale« Englischlehrerin, Miss Gordon, ist nicht viel älter als Catherine. Sie explodiert fast vor Energie und lässt Bücher wie Live-Rollenspiele erscheinen. Sie springt auf den Tisch. Manchmal singt sie. Sie lässt die Klasse Teile der Geschichten vorspielen und manchmal verwandelt sie Bücher in Spiele.
»Vokabel-Bingo!«, verkündete Miss Gordon eines Morgens. »Donuts für die Siegermannschaft!«
Bei diesem Spiel rissen sich meine Klassenkameraden ein Bein aus, um die richtige Definition zu finden. Sie brüllten Antworten und stöhnten, wenn sie danebenlagen. In nur einer halben Stunde kannte jeder Schüler im Raum alle zwanzig Vokabeln. Miss Gordon verteilte auch an die Mannschaft, die verloren hatte, Donuts, aber die Gewinner bekamen die mit den Schokostreuseln.
Ich kannte alle Definitionen, aber die anderen Kinder waren zu schnell für mich. Schokolade hätte sowieso nur meine Kleider versaut.
An einem ungewöhnlich warmen Tag in dieser Woche brachte Miss Gordon Fächer und Wasserzerstäuber mit und ließ uns während der Stunde Eis am Stiel lutschen. Natürlich orangefarbenes, Halloween zu Ehren, während sie Gedichte über Kürbisse und Geister vorlas. Catherine hielt mein Eis am Stiel für mich fest und hielt ein Papiertuch unter mein Kinn. Wir kleckerten keinen Tropfen!
Miss Gordon macht auch andere coole Sachen. Als sie zum Beispiel beschlossen hatte, dass die Klasse die Geschichte von Anne Frank lesen würde, baute sie einen engen Raum unter einem Tisch und ließ die Kinder sich nacheinander dort hineinquetschen, damit sie nachvollziehen konnten, wie Anne sich gefühlt haben musste. Ich konnte nicht mitmachen, aber ich begriff es auch so.
Und sie hatte uns auch noch andere tolle Bücher für dieses Halbjahr aufgegeben. Ich lese – na ja, höre – gerade
Shiloh
von Phyllis Reynolds Naylor and
Hüter der Erinnerung
von Lois Lowry. Und eins heißt
Die Unsterblichen
– das Kind darin wird nie erwachsen. Für immer ein Kind zu bleiben, ist nicht so cool, wie manche glauben.
Dank Mrs V. hätte ich die Bücher tatsächlich lesen können. Aber die gedruckten Buchstaben sind meistens ziemlich klein und meinen Augen fällt es schwer, in der richtigen Reihe zu bleiben. Und keiner hat eine Möglichkeit gefunden, wie ich am besten ein Buch festhalten kann, ohne dass es eine Million Mal zu Boden fällt. Also entscheide ich mich normalerweise für das Audiobuch anstelle der gedruckten Version.
Ich nehme jetzt sogar an den Tests teil! Catherine legt das Arbeitsblatt auf mein Tablett, liest mir die Fragen vor und ich zeige dann auf die Antworten. Ich bestehe jeden einzelnen Test, und sie hilft mir kein bisschen. Wahrscheinlich würde ich bei jedem hundert Prozent schaffen, aber einige der Fragen erfordern lange Antworten, für die die Wörter auf meiner Tafel einfach nicht ausreichen.
Einmal, beim Diktat, las Miss Gordon die Wörter laut vor und ich zeigte auf die Buchstaben auf meiner Tafel. Catherine schrieb auf, was ich zeigte, damit ich bei dem Test mitmachen konnnte. Claire und Molly, die mich anscheinend ständig beobachten, fingen an sich zu beschweren.
»Das ist nicht fair!«, rief Claire und fuchtelte mit ihrer Hand in der Luft, um Miss Gordon auf sich aufmerksam zu machen.
»Catherine schummelt für sie!«, fügte Molly hinzu.
Was
haben
die beiden nur? Man könnte fast meinen, sie wären neidisch auf mich oder so was. Und das ist schlichtweg verrückt.
Gleichzeitig begriff ich, dass sie tatsächlich dachten, ich hätte es leichter! Das war etwas ganz Neues.
Letzten Montagmorgen sagte Miss Gordon zu unserer Klasse: »Wie einige von euch vielleicht wissen, weil ich es jedes Jahr mache, wird unser Langzeitprojekt in der fünften Klasse das Thema ›Biografie‹ sein. Wir werden die Biografien berühmter Leute lesen, einen Aufsatz über eine berühmte Person eurer Wahl schreiben und jeder von euch wird außerdem seine eigene Autobiografie verfassen.«
»Na ja, das wird aber kurz. Was kann man in elf Jahren schon erlebt haben?«, rief Connor, das dicke Kind.
Alle lachten.
»In deinem Fall, Connor«, antwortete Miss Gordon, »bin ich mir sicher, dass dir viel zu viel einfallen wird.«
»Kann ich meinen Aufsatz über den Kerl schreiben, der den Hamburger erfunden hat?«, fragte Connor, was ihm noch mehr Gelächter einbrachte.
»Ich
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