Mit Worten kann ich fliegen (German Edition)
zu
Take Me Out to The Ball Game.
Willy klatschte wild in die Hände.
Schließlich begann die Lehrerin,
Boogie Woogie Bugle Boy
zu spielen. Das hätte Dad gefallen. Kinder schunkelten auf ihren Stühlen. Maria stand auf und begann zu tanzen! Sie klatschte laut, zwar nie völlig im Takt, aber dafür in ihrem ganz eigenen Rhythmus.
Als das Lied zu Ende war, machte Mrs Lovelace eine Pause. »Musik besitzt Macht, meine jungen Freunde«, sagte sie. »Sie kann Erinnerungen in uns wecken. Sie kann unsere Stimmung und unsere Reaktionen auf vor uns liegende Probleme beeinflussen.«
Ihre Blicke durchbohrten Claire und Molly, die immer noch auf den leeren Plätzen standen, wo vorher ihre Stühle gewesen waren.
Ich hätte ihr gerne gesagt, dass ich Musik auch mochte. Ich hätte gerne gewusst, ob sie den Song
Elvira
je gehört hatte oder ob sie uns beibringen würde, unsere eigene Musik zu machen. Ich versuchte, mich zu melden, aber sie bemerkte mich nicht. Wahrscheinlich hatte es für sie nur ausgesehen wie eine weitere dieser zufälligen Bewegungen, die Kinder wie ich wohl machen. Aber ich hatte das Gefühl, dass sie jemand war, der sich die Zeit nehmen würde, mich zu verstehen.
Die Lehrerin fuhr fort. »Bevor ich mit dem Unterricht weitermache, sorgen wir erst mal für eine echte Integrationserfahrung. Vielleicht möchten unsere Freunde aus H-5 beim Rest von uns sitzen, statt sich da hinten herumzudrücken.«
Das hörte Freddy und nutzte die Gelegenheit. Er setzte seinen Rollstuhl in Bewegung, sauste durch den großen Raum ganz nach vorne und rief: »Ich bin Freddy. Ich mag Musik. Ich fahre schnell!«
Die Klasse lachte. Ich kann unterscheiden, ob Menschen sich über uns lustig machen oder ob sie nett zu uns sind. Das konnte Freddy auch, also lachte er mit. Mrs Lovelace sah für einen Moment verdutzt aus, dann ging sie rüber zu Freddy, schüttelte seine Hand und hieß ihn in ihrer Klasse willkommen. Sie setzte ihn gleich vorne hin neben einen Jungen namens Rodney. Rodney hielt Freddy die Hand zum High five hoch und die beiden grinsten sich an. Okay, ich muss zugeben – ich war eifersüchtig.
Mrs Lovelace bat eine Hilfskraft, Gloria nach vorne, näher ans Klavier, zu bringen. Ein Mädchen namens Elizabeth warf Gloria einen nervösen Blick zu, blieb aber sitzen, als Gloria neben sie geschoben wurde.
Elizabeths beste Freundin ist ein Mädchen namens Jessica. In der Pause sitzen sie zusammen am Zaun und teilen sich Müsliriegel. Ich habe mich immer gefragt, was sie zu flüstern haben. Mir war auch aufgefallen, dass Jessica alles, was Elizabeth tut, zu übertrumpfen versucht. Rennt Elizabeth zum Beispiel schneller als sie zum Zaun, besteht Jessica darauf, dass sie noch einmal rennen, damit sie auch gewinnen kann. Oder bekommt Elizabeth eine neue Tasche, hat Jessica am nächsten Tag mit Sicherheit auch eine neue.
Als Elizabeth also anfing, mit Gloria zu reden, die zu Tode erschrocken aussah, meldete Jessica sich und fragte, ob eines der H-5-Kinder neben ihr sitzen könne.
Maria versteht vielleicht nicht alles, aber sie ist ein wirklich netter Mensch. »Ich will neben dem Mädchen im blauen T-Shirt sitzen. Ich will neben dem Mädchen im blauen T-Shirt sitzen«, forderte sie. Sie stapfte zu Jessicas Platz und setzte sich neben sie. Dann sprang sie noch einmal auf und umarmte Jessica, dann umarmte sie die Kinder um Jessica herum. Ein Junge erstarrte zwar, als sie ihn anfasste, aber ich war überrascht, dass die meisten sich von ihr umarmen ließen. Da Molly und Claire standen, hatten sie keine Wahl.
»Bäh, igitt!«, flüsterte Claire.
»Läuse!«, flüsterte Molly zurück.
Mrs Lovelace hob eine Augenbraue, dann räusperte sie sich. »Es scheint so, als würdet ihr zwei gerne stehen. Das könnt ihr für den Rest der Woche haben.«
»Oh Mann! So ein Mist!«, hörte ich Claire sagen.
Molly war schlau genug, zu schweigen.
Maria bemerkte es gar nicht. Sie küsste Claire sogar auf die Wange. Das war witzig.
Willy landete neben einem dicken, freundlichen Jungen namens Connor.
Ashley und Carl waren an diesem Tag nicht da, also blieb ich als Letzte hinten im Klassenzimmer übrig. Im Raum wurde es ganz still. Mir war plötzlich kalt, als hätte jemand die Klimaanlage voll aufgedreht. Ich bekam Gänsehaut.
Die Lehrerin sah sich mit erwartungsvollem Blick im Raum um und hoffte wohl, dass mich jemand freiwillig nehmen würde. In diesem Moment hätte ich alles darum gegeben, wieder in unserem Rotkehlchen-Zimmer zu sitzen
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