Mitch - Herz im Dunkeln
UPS-Lieferant bist.“
Er drückte ihre Hand, dann ließ er sie los. In seinem Blick lag Bedauern.
„Ich hätte auf ihn geschossen“, sagte er leise. „Und ja, es ist eine Erinnerung.“
Seltsam, diesen Teil hatte er ihr verschwiegen, nachdem sie die Gasse verlassen hatten und wieder in Beccas Pick-up gestiegen waren. Sie trommelte mit den Fingern auf dem Tisch. „Woran erinnerst du dich sonst noch aus jener Nacht?“
„Ich trug meine .45er. Was danach damit geschah, weiß ich nicht. Sie muss zusammen mit meiner Brieftasche gestohlen worden sein. Bei der .22er in meinem Stiefel handelte es sich nur um eine Ersatzwaffe. Aber ich erinnere mich genau, dass ich wünschte, ich hätte eine MP5.“
„Eine MP5?“
„Heckler & Koch MP5“, präzisierte er mit grimmiger Miene. „Das ist eine in Deutschland hergestellte Maschinenpistole. Man nennt sie auch Kehrbesen, weil man sie auf relativ kurze Distanz benutzt, um einen Raum leer zu fegen.“
„Einen Raum leer fegen?“ Allmählich hörte sie sich an wie ein Papagei.
„Ja, und es bedeutet genau das, wonach es sich anhört.“ Mitch nahm sein Wasserglas mit festem Griff, hob es an den Mund und trank einen Schluck.
„Ich habe diesen wiederkehrenden Traum. Darin befinde ich mich in einem Zimmer“, sagte er. „Ich bin mit anderen Leuten darin eingeschlossen. Plötzlich fliegt die Tür auf, und Männer mit Maschinenpistolen kommen herein. Es gibt einen Kampf, und eine der Waffen … Es ist eine Uzi. Meine Güte, woher weiß ich diese Namen?“ Er holte tief Luft und sprach in nüchternem Ton weiter. „Bei dem Kampf schlittert die Uzi in meine Richtung. Ich schnappe sie mir und schieße damit auf die bewaffneten Männer. Ich drücke den Abzug und bringe sie alle um. Das bedeutet es, einen Raum leer zu fegen.“
Becca schüttelte den Kopf. Sie wollte einfach nicht wahrhaben, dass so etwas passiert sein könnte. Und wenn, dann konnte Mitch nicht so unbeteiligt gewesen sein, wie er sich anhörte. „Du versuchst mir zu beweisen, dass du ein übler Bursche bist. Aber du solltest dir mal einen von meinen Träumen anhören. Da gibt es zum Beispiel einen, bei dem ich in einem Möbelhaus bin und …“
„Ich habe die Männer im Van heute Nachmittag wiedererkannt“, unterbrach er sie.
Im Van? Sie sprach die Worte nicht laut aus. Vermutlich standen sie ihr ins Gesicht geschrieben.
„Der mit den getönten Scheiben, der vor dem Busbahnhof stand“, erklärte er. „Ich habe keine Ahnung, woher ich sie kenne, diesen kleinen Typen mit der Tätowierung und den Blonden. Aber ich bin mir vollkommen sicher, dass ich sie kenne.“
Becca verstand nicht. „Warum hast du nichts zu ihnen gesagt? Warum bist du nicht zu ihnen gegangen, um herauszufinden, wer sie sind? Um endlich zu erfahren, wer du bist?“
„Die waren eindeutig mit einer Überwachung beschäftigt“, sagte Mitch. „Du hast Witze gemacht heute Nachmittag, aber es ist durchaus möglich, dass sie tatsächlich auf der Suche nach mir sind.“
„Überwachung?“, wiederholte sie fassungslos. „Woher willst du denn wissen, was die in dem Van gemacht haben? Du konntest doch gar nicht hineinsehen. Tut mir leid, Mitch, aber …“
„Ich musste auch gar nicht hineinsehen. Ich wusste, dass es sich um drei Männer handelte, obwohl ich nur zwei gesehen habe. Aber der Tätowierte trug drei Becher auf einem Papptablett. Drei große Becher, woraus ich schließe, dass sie eine Weile dort zu bleiben beabsichtigten. Blondie lockerte seine Muskeln, nachdem er aus dem Van gestiegen war. Was bedeutet, dass sie anscheinend schon seit einiger Zeit dort warteten. Zumindest so lange, dass er in die Kneipe auf der anderen Seite musste, um die Bordtoilette zu benutzen.“
„Die was?“
„Die Bordtoilette“, erklärte er und stutzte. „Auf einem Schiff heißt es Bordtoilette.“ Er verdrehte die Augen. „Na fabelhaft, jetzt bin ich auch noch Seemann.“
Becca musste lachen.
Mitch grinste ebenfalls, wurde jedoch gleich wieder ernst. „Bitte fahr nach Hause.“
Sie stützte das Kinn in die Hand. Offenbar hatte sie nicht die Absicht, irgendwohin zu fahren. „Was ist, wenn du dich an nichts mehr erinnerst? Wenn die restlichen Details, das restliche Wissen über deine Identität dir für immer verborgen bleiben?“
„An diese Möglichkeit denke ich gar nicht erst.“
„Aber überleg mal! Es könnte doch durchaus sein, dass es für dich gar nicht so schlecht wäre, wenn du dich nicht mehr erinnern kannst.“
Mitch
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