Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation
Auf diese Art hetzt du mich nun schon zwei Jahrzehnte durchs Leben – das ist ja kein Leben mehr! Immer die Erste sein, die Schnellste, die Beste! Ich möchte mal Zeit zum Ein- und Ausatmen haben. Und dass ich mich jetzt schon wieder festlegen soll im Rahmen deiner effektiven Karriereplanung, das macht mich regelrecht wütend, weil ich so viele Möglichkeiten sehe, für die ich mich offenhalten möchte. Ich komme mir vor wie eine Knospe, die die Farbe ihrer Blüte noch nicht verraten will – und Knospen reißt man doch auch nicht gewaltsam auf, damit sie schneller blühen!
Sodann wechselt sie wieder auf den anderen Stuhl, hört sich die Worte von eben noch einmal mit den Ohren der Zielstrebigen an und antwortet dann:
Zielstrebige: Das sind ja wunderschöne Bilder, die du da hervorzauberst, um deine Faulheit und Tagträumerei auch noch poetisch zu adeln. So viel Nabelschau muss man sich finanziell leisten können, meine Liebe!
Bremserin: Wenn du das geringschätzig als «Nabelschau» abtust, wo ich versuche, meinen Beruf mit mir und meinem Tempo in Übereinstimmung zu bringen, dann hast du noch gar nichts kapiert, du alte Krämerseele!
Zielstrebige: Jetzt wirst du unverschämt, weil ich mit der Finanzierung deinen wunden Punkt getroffen habe, stimmt’s? … Und so weiter.
Die Bremserin wird jetzt noch einmal umbenannt in die Gelassene , da sich deutlicher herausgestellt hat, dass sie nicht nur durch eine Anti-Haltung definiert ist, sondern auch ein positives Programm verkörpert: die Ruhe und Gelassenheit, etwas langsam ausreifen zu lassen – eine Anwältin der «Entschleunigung» in einer allzu temporeichen Zeit.
4. Versöhnung
Nachdem die beiden, die Zielstrebige und die Gelassene , sich deutlich «auseinandergesetzt» haben und dabei auch heftig «aneinandergeraten» sind, ist irgendwann vielleicht/hoffentlich der Zeitpunkt gekommen, wo sie die gegenseitige Verachtung und Erbitterung überwinden können und einander als wichtige und vollwertige Ergänzungspartner anerkennen können. Denn tatsächlich ist es für das Oberhaupt ja ein Segen, dass es beide Mitstreiter zur Verfügung hat. Am entsprechenden Wertequadrat (s. Abb. 45) ist sofort abzulesen, was passieren würde, wenn nur ein Mitglied vorhanden wäre oder allein das Sagen hätte.
Abb. 45:
Wertequadrat am Beispiel des Topdog-Underdog-Dialogs einer Studentin
An dieser Stelle vereinigen sich die Modelle vom Inneren Team und vom Wertequadrat, das ja immer auch ein Entwicklungsquadrat ist (Schulz von Thun 1989, S. 47ff.) und, so würden wir jetzt sagen, eine «innere Teamentwicklung» vorsieht.
Was hier deutlich wird: Ein wichtiger Teil jeder (äußeren wie inneren) Teamentwicklung besteht in der Depolarisierung von Mitgliedern mit gegensätzlicher Strebung. «Depolarisierung» ist die dialogische Überwindung einer Polarisierung. «Polarisierung» ist die feindliche Trennung gegensätzlicher Positionen, die jeweils eine Teilwahrheit oder eine Tugendhälfte betonen und somit idealerweise in einem Ergänzungsverhältnis stünden. Eine solche Polarisierung neigt zur Eskalation, mit der Folge, dass die Vertreter immer extremer werden und im Wertequadrat immer weiter «herunterrutschen». Typisch für die Konfliktaustragung ist, dass sich beide Konfliktpartner selbst im Glanz der Wertigkeit sonnen und den Gegner im Keller der Verkommenheit orten und ihm folglich nicht anders als brandmarkend begegnen können: «Ich stehe für bewusste Zielstrebigkeit, hingegen bist du ein träger Tagträumer, der nicht in die Gänge kommt!», sagt der Topdog mit der klassischen Beziehungsbotschaft: «Ich bin o.k. – du bist nicht o.k.!» – «Ich stehe für die Gelassenheit, die der Selbstentwicklung die nötige Reifezeit einräumt, hingegen du bist ein hektischer Karrierist und eine armselige Krämerseele!», erwidert der Underdog mit entgegengesetztem Inhalt, aber derselben Haltung. Diese Art der Konfliktaustragung (s. Abb. 46) ist uns bekannt aus zwischenmenschlichen Szenen im politischen, aber auch im beruflichen und privaten Bereich.
Abb. 46:
Konfliktaustragung im Zustand der Polarisierung: sich selbst in der Wertigkeit sonnen und den anderen in seiner Unwertigkeit (unter der «Gürtellinie») angreifen
Die polarisierende Konfrontation hat den Vorteil, dass sie einen Gegensatz zuspitzt und prägnant macht, wohl auch den aufgeladenen Gefühlen der Erbitterung Luft verschafft. Insoweit ist sie in einer bestimmten Phase der Konfliktbearbeitung
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