Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation

Titel: Miteinander reden 03 - Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedemann Schulz von Thun
Vom Netzwerk:
hinnehmbar und zuweilen (wenn der Konflikt vorher unter einer Decke von Pseudoharmonie verborgen war) willkommen. Wenn sich diese Art aber verewigt, ist eine fortschreitende Eskalation unausweichlich, bis hin zum Wunsch nach Eliminierung des Gegners, an ein «Miteinander» im Teamzusammenhang ist gar nicht mehr zu denken. Für eine produktive Streitkultur ist daher ganz entscheidend, dass die Kontrahenten die Abbildungen 45 und 46 vor Augen bekommen und sich, nach der Entladung, als Träger wichtiger (Teil-)Wahrheiten und als Verfechter wertvoller Prinzipien sehen lernen, die einander im Rahmen eines Ergänzungsverhältnisses bedürfen.
    Dies gilt für äußere und innere Teams gleichermaßen. So wäre es gut, wenn die Zielstrebige zur Gelassenen (und umgekehrt) schließlich sagen könnte: «So gefährlich ich dich auch finde, wenn du allein das Sagen hättest, so muss ich doch mit Blick auf meine eigene Einseitigkeit einräumen: Gut, dass es dich auch gibt!»
    5. Teambildung durch das Oberhaupt
    Sobald die Depolarisierung zumindest annähernd gelungen ist, kann das Oberhaupt nun eine Teamkonferenz nach bekanntem Muster (vgl. S. 105ff.) einberufen und mit seinen beiden (oder mehreren) «Leistungsträgern» eine innere Vereinbarung anstreben, die der konkreten Herausforderung gerecht wird. In dieser Phase ist das Oberhaupt idealerweise disidentifiziert, nachdem es sich zuvor wechselseitig identifiziert hat (vgl. S. 126ff.). Es nimmt auf einem erhöhten Stuhl Platz und leitet die Konferenz mit seinen nunmehr kooperationsbereiten Gegenspielern.
    Im nachfolgenden Schema sind die fünf Phasen einer inneren Konfliktbearbeitung idealtypisch noch einmal aufgelistet.

    In der Praxis sind allein die Phasen 1 und 2 häufig schon ausreichend, um sich selbst entscheidend voranzubringen oder einer konfliktbeladenen Person entscheidend zu helfen.
    Denn der innere Konflikt mit seinen Parteien tritt deutlich hervor, während er zuvor im «diffusen Gemuse» seelischer Vielfalt, mit all seinen Wechselströmungen und Klumpatschbildungen, eingeschmolzen und unkenntlich war – für das Oberhaupt schwer «greifbar» und folglich schwer«eingreifbar».
    In wiederum anderen Fällen treten bereits in Phase 1 und später im Übergang von Phase 3 nach 4 so viele Hindernisse auf, dass ein längerer therapeutischer Prozess unumgänglich ist. Dies gilt besonders dann, wenn einer der inneren Konfliktpartner ein Ausgestoßener (und dem Oberhaupt unzugänglich Gewordener) ist.

3.3
    Innere Konflikthaftigkeit: ein menschliches Schicksal
    Bisher haben wir den Fall betrachtet, dass zwei Gegenspieler aus dem Inneren Team in eine Kampfbeziehung verstrickt sind. Ein etwas anderer Fall liegt vor, wenn ein Mitglied des Inneren Teams mit dem Oberhaupt selbst in Konflikt gerät und als «innerer Widersacher» in Erscheinung tritt. Bevor wir das Kapitel mit diesem Phänomen abschließen, sei ein kleiner Einschub erlaubt.
    Warum müssen wir uns als Menschen mit so vielen inneren Teamkonflikten herumschlagen? Ist uns das in die stammesgeschichtliche Wiege gelegt? Ist das ein Produkt der Zivilisation und des komplizierten Aufbaus unserer Gesellschaft? Beides ist der Fall! Gliedern wir daher diesen Exkurs in einen anthropologischen und einen soziologischen Teil.
    Die anthropologische Dimension: dem Menschen eingebaute Konfliktpotenziale
    Innere Konflikte kennzeichnen das Wesen des Menschen. Zwar gibt es auch im Tierreich überall dort innere Konflikte, wo verschiedene Reaktionsmuster zur Verfügung stehen und je nach den Umständen ausgelöst werden. In uneindeutigen Grenzsituationen konkurrieren dann zwei oder mehr Verhaltensweisen, so zum Beispiel, wenn bei einer Bedrohung ein «mutiger» Kämpfer und ein «feiger» Flüchter uneinig um den Vortritt ringen. Bei der Katze, die um den heißen Brei schleicht, sind die Gierige und die Vorsichtige gemeinsam am Ruder. Zuweilen gibt es in solchen Fällen «Übersprunghandlungen»: Ein Hahn, hin- und hergerissen zwischen Flucht- und Kampfimpuls, fängt plötzlich an, Körner zu picken. Dieses Verhalten entspricht nun wirklich nicht der Herausforderung durch seine Lage, es ist nur damit zu erklären, dass der konflikthafte Spannungszustand derart unerträglich ist, dass die Natur ihn, koste es, was es wolle, nicht anders als mit einem «Kurzschluss» zu beenden weiß.
    Es ist aber offensichtlich, dass innere Konflikte eine seltene Randerscheinung tierischer Existenz darstellen. Ich sehe beim Menschen vor allem drei

Weitere Kostenlose Bücher