Mithgar 10 - Die schwarze Flut
Wällen. Wie ein düsterer, gleitender Schatten strömten sie im Geisterlicht über das Land. All das beschrieb Tuck für Aurion, während auch Vidron zuhörte, denn der Trupp befand sich jenseits des menschlichen Sehvermögens.
»Sandor hat sie vor etwa einer Stunde entdeckt«, erklärte Patrel. »Sie kamen aus dem Norden und bewegen sich in Richtung Süden, wohin sie aber gehen, vermag ich nicht zu sagen.«
»Vielleicht marschieren sie ins Weitimholz«, sagte Danner und ballte die Fäuste.
»Oder nach Steinhöhen.« Aurions Stimme klang bitter.
»Mag sein, sie haben entdeckt, dass Ardental eine Hochburg der Elfen ist«, meinte Gildor und umklammerte den Knauf seines Langmessers. »Vielleicht stoßen sie nach Osten vor, in die verborgene Schlucht von Talarin. Allerdings glaube ich, dass sie diese vom Grimmwall aus angreifen würden. Ja, es wird wohl Weitimholz oder Steinhöhen sein, wohin sie marschieren.«
Doch ob Wald, Dorf oder Tal - keiner von ihnen kannte das Ziel der Truppe; und Mensch, Elf und Wurrling standen stumm da, während die Bokker beobachteten, wie die ferne Horde wiederum lautlos in den unheilvollen Dusterschlund verschwand. Und als auch kein Wurrling sie mehr sehen konnte, sandte Aurion Boten aus, um seinen Kriegsrat einzuberufen. Während sich der König jedoch eben anschickte, in die Burg hinabzugehen, erklang Bum! die mächtige Trommel der Horde. Bum!, kam ein neuer Schlag, und Tuck erkannte vom Wall aus eine große Unruhe in den Reihen der Rukhs. Sein Herz machte einen erschrockenen Satz, und er legte geschwind einen Pfeil an die Sehne seines Bogens, ohne den Feind aus den Augen zu lassen. Bum! »Pah! Sie brechen ins Lager auf«, knurrte Vidron nach einer Weile, »und nicht, um die Wälle da unten anzugreifen.« Der General des Königs steckte sein Schwert zurück in die Scheide, und nun erst nahm Tuck wahr, dass auch Patrel, Danner und Sandor einen Pfeil an die Sehne gelegt hatten. Jeder hier oben auf dem Festungswall hatte beim Klang der großen Trommel die eine oder andere Waffe gezückt. Schwerter und Dolche glitten mit metallischem Klirren zurück in ihre Scheiden, darunter auch Gildors Wehe. Als Tuck seinen Pfeil in den Köcher schob, überlegte er, ob sich die anderen wohl ebenso töricht vorkamen wie er selbst, denn auch wenn der Feind angegriffen hätte, wäre der Kampf nicht hier oben, am fünften Wall, entbrannt, sondern unten am ersten, beinahe tausend Fuß entfernt. Bum!
»Kommt«, sagte Aurion, »lasst uns Rat halten.« Sie stiegen hinab von der Brustwehr und gingen in die Feste, ihnen voraus Pagen, die mit Laternen den Weg leuchteten, denn das bleiche Schattenlicht des Dusterschlunds drang nicht bis in die Burg vor. Der König führte sie in einen Raum, in dessen Mitte ein großer Tisch mit schweren Sesseln stand; an den Wänden hingen Karten und Pläne. Dies war der Raum des Kriegsrats, tief im Innern der Burg, doch selbst hier war, wenn auch gedämpft, der langsame Schlag der Trommel zu hören.
Weitere Männer kamen hinzu: Hagan aus Valon, jung, stark, mit flachsblondem Haar; Medwyn aus Pellar, grauhaarig und krumm, aber mit hellen, wachen Augen; Overn aus Jugo, ein dicker Mann mit einem mächtigen schwarzen Bart und buschigen Augenbrauen; der junge Brill aus Wellen, hochgewachsen und schlank, der distanziert und in sich gekehrt wirkte, und von dem manche behaupteten, er sei ein Berserker; und Gann aus Riamon, schweigsam und reserviert, vielleicht der beste Stratege von allen. Ein bunt gemischter Haufen waren sie, doch Krieger alle, und zusammen mit Vidron und Gildor bildeten sie den Kriegsrat des Hochkönigs in der Feste Challerain. In diese Gesellschaft kamen Tuck, Danner und Patrel, und Tuck fühlte sich inmitten dieser Soldaten so fehl am Platz wie ein Kind in einem Ältestenrat. Bum! Alle setzten sich um den Tisch herum, auch die Jungbokker, denen nichts anderes übrig blieb, als sich auf die Armlehnen zu hocken, wenn sie über die glatte Fläche sehen und selbst gesehen werden wollten.
»Krieger«, begann König Aurion, »wir sehen harten Zeiten entgegen.« Bum! »Der Feind ist uns an Stärke zehnfach überlegen und hat unsere Stellung umzingelt: Wir befinden uns im Belagerungszustand. Darüber hinaus ziehen weitere Kräfte Modrus in Richtung Süden, und wir können nichts tun, um sie aufzuhalten. Ich wünschte, ich wüsste, wo mein Heer steht oder wann es eintreffen wird. Mag sein, dass die Legion just in diesem Augenblick nach Norden marschiert, doch wir wissen
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