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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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Flammen in den Himmel. Die Sitzbank aus gebeiztem Kirschbaumholz, die erst zwei Jahre zuvor rund um ihn herum gezimmert worden war, war übersät mit Brandflecken von den herumfliegenden Funken. Das berichtete am nächsten Tag die 50 -jährige Marie, die später die Alte Mare genannt wurde, den von überall her angereisten Verwandten.
    Noch während die Männer der Feuerwehren – von denen die am weitesten herbeigeeilte kreisstädtische Feuerwehr als Erste am Brandort eingetroffen war, während die aus der unmittelbaren Nachbarschaft kommenden Kirchgruber als Letzte auftauchten –, noch während die alle ihre Schläuche zum See hinunter ausrollten, um aus ihm das Löschwasser zu ziehen, hatte die Brieftaube vom Posttelefon aus in den verschiedenen Poststützpunkten der näheren und weiteren Umgebung angerufen und gebeten, die furchtbare Nachricht doch bitte umgehend an die verschiedenen Verwandten und wichtigsten Bekannten zu übermitteln. Der Elf, der den übernächsten Hof nach Norden hin bewirtschaftete, hatte das fackelnde unruhige Licht, wie er sich ausdrückte, als Erster gesehen, weil er zum Wasserlassen noch einmal vors Haus gegangen war, bevor er sich schlafen legen wollte, und auf der Stelle den richtigen Schluss gezogen: Beim Seewirt brennt’s! So laut kam der Schrei heraus aus seinem Mund, dass ihn sein Nachbar, der Reitz, der gerade den Dreiliter-Tonkrug auf dem Küchentisch abstellte, den er doch im Moment noch, wie er später fassungslos berichtete, beim Nachbarn, dem Seewirt, aus dem hölzernen Bierfass habe nachfüllen lassen, dass der den Feuermelderschrei des Elf bis in seine Küche hinein hörte. Wie der Wirt mir den Krug auffüllt, in dem Moment müssen die droben in der Tenne die Zündhölzer angerissen haben, erzählte er in den folgenden Tagen immer wieder jedem, der es hören wollte, anders kann ich mir das überhaupt nicht erklären. Daraufhin seien beide, er und der Elf, auf der Stelle losgestürmt und brüllend zum Haus des Seewirts gerannt. Es brennt! Es brennt! Der Seewirt brennt!, schrien sie in einem fort und machten so den Wirt und seine gesamte Entourage erst auf die Katastrophe aufmerksam. Sonst wär womöglich noch eines von denen verbrennt! Die haben ja überhaupt nix gemerkt, bevor mir nicht da waren, belobigten sie sich selbst und gegenseitig für ihre Tat. Mit großer Übersicht habe daraufhin der Seewirt die Kommandogewalt an sich gerissen und die eigenen Leute und alle herbeigeeilten Nachbarn so umsichtig dirigiert, dass das gesamte Vieh ohne einen einzigen Verlust gerettet werden konnte, war zwei Tage später im Seestädter Seekurier zu lesen. Selbst die neue Mähmaschine konnte in Sicherheit gebracht werden und beide Erntewagen, die glücklicherweise noch nah am Scheunentor standen, weil eine letzte Grummetmahd noch nicht eingefahren war. Nur die große Dreschmaschine, die in der Scheune ganz hinten abgestellt war, weil sie erst im Winter wieder gebraucht wurde, war am Ende zu einem schwarzen, stacheligen Klumpen zusammengeschmolzen. Eine interessante Form, bemerkte der Maler und Stahlbildhauer Lassberg, der sich vor ein paar Jahren am Kalvarienbergweg ein Haus hatte hinbauen lassen, noch einmal, bevor er den Brandort wieder verließ, nachdem er zuvor den niedergeschlagen vor dem Inferno stehenden Seewirt gebeten hatte, einen Inspektionsgang durch die Ruine machen zu dürfen. Man ist ja schließlich Künstler, hatte er gesagt, und neugierig auf alles, was Formen bildet. Und das kann sehr wohl auch durch eine Zerstörung bewirkt werden. Die Natur ist eine ruhelose Täterin, im Guten wie im Bösen, und ich meine das selbstverständlich nicht moralisch, Moral ist für den Künstler keine Kategorie. Sie, die Natur, hat alle Formen immer schon zurechtgelegt, die danach von unserer Fantasie erst entdeckt werden müssen. So ist das, Herr Birnberger, und deshalb kommt die Kunst ohne die Natur nicht aus. Leider. Und auch jeder Katastrophe liegt eine Tat der Natur zugrunde, sogar bei einer Brandstiftung. Daran sollten wir immer denken, bevor wir uns von solchen Ereignissen in eine Verzweiflung hineinmanövrieren lassen. Nehmen Sie’s also nicht zu tragisch. – Da hatte sich der Seewirt aber schon ganz nah vor ihm aufgebaut und ihn drohend angeschaut und gesagt: In so einem Moment reden Sie mir von der Kunst! Gut, dann red ich auch davon: Kunst mir nicht 50000 Reichsmark leihen, Herr Lassberg? Dann könnt ich nämlich das Ganze wieder aufbauen. Und zwar ganz untragisch. Wenn aber

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