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Mittelreich

Mittelreich

Titel: Mittelreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Josef Bierbichler , MITTELREICH
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ringenden und zu ihrer Verdeutlichung mit den Händen die Luft durchfechtenden Seewirt. Glühenden Kopfes focht er. Allmählich ließ er seine Hände sinken, der Kopf entfärbte sich, und er hörte seinen eigenen Worten nach: Woher mag das jetzt gekommen sein?, dachte er. Was habe ich denn da gesagt? So was ist mir ja noch nie passiert! Das Lazarett fiel ihm wieder ein und sein Kampf ums Bein. Doch, dachte er, doch: einmal schon! Im Stillen schöpfte er Kraft.
     
    Dem Viktor war sauunwohl. So heftig wollte er eigentlich nicht von fremden Gefühlen vereinnahmt werden. Er ruckelte von einer Sitzbacke auf die andere und schaute mit gesenktem Kopf mal nach links und dann wieder nach rechts. Ich möchte jetzt da nicht vorgreifen, sagte er schließlich mit Vorsicht, denn wenn es um Religion geht – und Sie reden ja gerade von Religion, möchte ich jetzt mal sagen, wenn ich Sie recht verstanden habe –, da sollte man jeden auf seine eigene Art selig werden lassen. So jedenfalls hat es mir beigebracht meine Mutter. Und von Besitz versteh ich nichts, da muss ich Ihnen geben recht. Ich hab in der Bank gearbeitet, bevor ich hab müssen einrücken in den Krieg. Da ist viel Geld durch meine Hände gegangen. Aber gehört hat mir von alledem nischt. Damit einem da keine falschen Gedanken kommen, denkt man lieber überhaupt nicht nach. Man zählt das Geld, eine Unmenge am Tag, aber man macht das ganz automatisch. Da hat man keine Gefühle, und über Gleichheit und Gerechtigkeit sieht man am besten gleich ganz hinweg. Da würde man ja nur irre werden sonst. Und warum soll ein Besitzer nicht in den Himmel kommen? Der kommt genauso nackt oben an wie ein Bettler. Er muss halt nur wieder von vorn anfangen. Der Bettler nicht. Das, mein ich, ist der einzige Unterschied, nachdem der Löffel abgegeben werden musste. So der Viktor. Und trinkt sein Bier aus, weil er jetzt gehen will.
    Der Seewirt nimmt ihm das leere Glas aus der Hand, mit seiner linken, und drückt ihn mit der rechten wieder nieder auf die Holzbank im Hausgang vor der Schenke. Eines müssen Sie noch trinken, Herr Hanusch, sagt er, auf einem Fuß steht man nicht gut. Er geht hinter die Schänke zum Fass und schenkt noch mal nach. Ich habe mich ein bisschen aufgeregt gerade, sagt er, da müssen Sie sich nichts denken. Eigentlich wollte ich Ihnen nur eine Stelle anbieten. Vielleicht möchten Sie ja lieber im Trocknen arbeiten, in der Küche zum Beispiel, und die Kartoffeln zubereiten, als sie draußen bei Wind und Wetter anbauen zu müssen. So einen aufgeschlossenen Mann wie Sie könnte ich noch gut brauchen. Und stellt ihm das zweite Bier hin.
    Jetzt endlich hatte der Viktor begriffen, woher dieser lauwarme Wind wehte. Aha! Dass er da nicht gleich drauf gekommen ist. – Nu bin ich ja sonst nicht einer, der eine Anstellung gleich wieder hinwirft, wenn er sie vor ein paar Tagen erst hat angenommen, sagt er, nachdem er vom frischen Bier einen ziemlich tiefen Schluck genommen hatte, aber gerade heute hat mich mein Chef schwer beleidigt, und ich hab mich da gefragt, ob ich mir das muss gefallen lassen. – So?, fragt der Seewirt. Ist was vorgefallen? – Nu ja, antwortet der Viktor, nachdem er mich hat aus meiner Kammer geholt, der Jäger, damit ich ihm das Blaukraut, das von Ihnen wurde bestellt, aus dem Beet hole, obwohl doch heite wäre gewesen mein freier Tag, da war ich noch ein bisschen verschlafen und bin über einen Spaten gestolpert, den da einer hat liegengelassen, und ins daneben angelegte Petersilienbeet getreten. Mehr als zwei Pflanzen hab ich nicht gemacht kaputt. Aber da fängt der ein Gebrülle an und ein Geschimpfe, nennt mich einen dämlichen Flüchtling und einen slawischen Trampel, gegen den ein Jude ja noch übermenschlich wär, und schmeißt mir auch noch die Holzkiste für die Blaukrautköpfe ins Kreuz. Nu kann er ja sagen gegen die Juden, was er will. Aber da soll er mich doch lassen draußen. Und was hab ich zu tun mit die Slawen? Er müsste mal woanders hinkommen, der Strolch, und nicht nur zu Haus rumsitzen, damit er mal lernt, was ein Slawe ist und was nicht.
    Jetzt sitzt der Seewirt still neben dem Viktor, der mit den Händen fuchtelt und ein arg rotes Gesicht bekommen hat. Ich weiß auch nicht, was ich machen soll, redete der weiter, ohne Arbeit kann ich meine Frau und meine Tochter nicht durchbringen. Aber ob ich da noch mal kann zurück, zu dem Jäger, nach dem, was heite ist vorgefallen ...? No, das weiß ich jetzt auch nicht. – Und trinkt die

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