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Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition)

Titel: Mittelstadtrauschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margarita Kinstner
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gewesen, ein besserer Mensch, eine, die sich um die Familie sorgt, eine, die nicht liebt, um zurückgeliebt zu werden. Und jetzt, wo ihr Bub erwachsen ist, putzt sie eben das Mutterklo, während sich Anna den Schwanz ihres Mannes von hinten hineinschieben lässt.
    Anna lacht gurgelnd und denkt an den Tag vor zweiunddreißig Jahren, an dem sie in der Tür der Schwester gestanden ist, in der einen Hand das Kind, in der anderen die kleine Tasche, das Gesicht verheult, weil sie die Mutter nicht mehr ausgehalten hat, weil sie sich ständig in die Erziehung eingemischt hat.
    Ich bin für den Norbert immer schon attraktiv gewesen, denkt sie. Sonst wäre er damals nicht zu mir in das kleine Zimmer gekommen, zwei Tage vor der Hochzeit, als die Traude aus gewesen ist, um zu poltern.
    Es ist noch immer der gleiche Herd, gegen den Norbert heute ihre Scham presst und antaucht. Und es ist immer noch die gleiche Badewanne, über der er seinen Schwanz mit einem Waschlappen abwischt. Nachdem das junge Ehepaar aus der kleinen Wohnung ausgezogen war, hat Anna bleiben dürfen. Damit haben sie ihr schlechtes Gewissen beruhigt, Norbert, weil er sie gefickt hat, und Traude, weil sie geheiratet und die jüngere Schwester mittellos und alleinerziehend zurückgelassen hat.
    Wie oft ist Anna an diesem Wannenrand gesessen und hat die kleine Vera gewaschen, hat sich gewünscht, nie auf das Moped des schüchternen Willi Blasbichler mit den ausgestellten Cordhosen und der blauen Windjacke gestiegen zu sein. Aber mit dreizehn ist man eben noch leicht zu beeindrucken, und wenn sich dann auch noch ein fünfundzwanzigjähriger Student für dich interessiert, nur für dich, dann ist das schon etwas. Von Verhütung hat Anna damals keinen blassen Schimmer gehabt, und hätte sie einen gehabt, sie hätte es trotzdem nicht getan. Der Willi war ihre große Liebe, mit dreizehn denkt man noch in anderen Kategorien.
    Als dann das Kind unterwegs gewesen ist, ist es mit der Liebe schnell vorbei gewesen. Statt auf Willis Moped hat Anna sich auf eine Schüssel heißes Wasser setzen dürfen, die ihr die Mutter auf den Küchenboden gestellt hat. Aber die kleine Vera war zäh, die hat sich nicht so leicht aus dem Annakörper vertreiben lassen. Und jetzt lebt sie in Australien, am anderen Ende der Weltkugel, dort, wo alle auf dem Kopf stehen. Ihre Enkelkinder kennt Anna nur von Fotos. Aber gut sehen sie aus, die haben ein schönes Leben, mit einem großen Haus und einem weißen Zaun. Das ist mehr, als Anna sich für ihre Tochter hat wünschen können.
    So hat mein Leben vielleicht doch noch einen Sinn gehabt, denkt sie, auch wenn es die Vera in ihrer Kindheit nicht leicht gehabt hat.
    Anna leert den restlichen Inhalt des Rotweinglases in die Abwasch und schaltet den kleinen Fernseher ein. Jetzt sitzt der Norbert bestimmt schon beim Essen, denkt sie. Heute hat er sich ausnahmsweise pünktlich auf den Weg gemacht.

5  Milchig weiß lehnt sich der Novembernebel gegen die Fensterscheiben und konserviert Gedanken zwischen Stahlbetonwänden. Alles friert ein und steht still. Gery sitzt am Sofa, die Heizung im Rücken auf die höchste Stufe gedreht, und beugt sich über den niedrigen Sofatisch. Mit einer rosa Bipa-Bonuscard teilt er das weiße Pulver in zwei Linien, daneben leuchtet der Bildschirm des Laptops. Mit einem kräftigen Schniefen zieht er das Pulver hoch, legt den Kopf in den Nacken und fragt sich, was er dieser Sonja, deren Antwort vor seinen Augen leuchtet, geschrieben haben mag, nachdem er gegen fünf Uhr morgens mit hängendem Schwanz von den Pornoseiten zu den Kontaktanzeigen gewechselt ist.
    Er klickt auf den Link am Ende der Mail und sieht sich Sonjas Singleprofil nochmals an. Jetzt kann er sich wieder an ihr streng zurückgekämmtes Haar und die enge weiße Bluse erinnern, die so gar nicht zu ihrem großen braunen Augenaufschlag passen. Er legt sich auf die Couch und dreht sich eine Zigarette. Tabak bröselt auf seine Brust, wie Marienkäfer auf einer Sommerwiese krabbeln die goldbraunen Krümel zwischen seinen Brusthaaren. Gery leckt über die Naht und steckt sich die Zigarette zwischen die Lippen. Dann nimmt er ein Streichholz und reibt den roten Kopf am Feuerstreifen. Sieht der Flamme zu lange zu, verbrennt sich dabei die Fingerkuppen und lässt das Zündholz fallen. Die Flamme erlischt, bevor das Streichholz auf den Boden fällt.
    Plötzlich muss er an Hedi denken. An ihren Satz bei seinem ersten Besuch. »Du solltest dir ein nettes Mädchen suchen und

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