Mitternachtslöwe (German Edition)
weite Reise gegangen, um den Mitternachtslöwen zu erwecken. Ich ging nicht mit, weil ich dachte es wäre ihre Bestimmung und nicht meine. Doch nun, da das Reich der Lebenden von den Mächten des Regimes überrannt wird, vermag ich hier nur vergleichsweise wenig auszurichten.«
»Was gedenkt Ihr also zu tun?«
»Den Abstand der sich zwischen mir und meinen Freunden befindet möglichst effektiv zu verringern. Ein Versetzungszauber über immense Reichweite und ohne das Ziel genau zu kennen. Unmöglich, würden die meisten Magier wohl sagen, aber ich lernte auf meinen Reisen einige Möglichkeiten Zauber zu verstärken und dies ist der beste Zeitpunkt diese einmal auszuprobieren. Es wird nicht einfach und ist sehr gefährlich dazu.«
»Das ist genau das was wir brauchen, Madam Olu. Das klingt doch sehr spannend, oder?«, sagte Mindi hingerissen.
Die Diva wandte sich ihrem Spiegel zu, »Eine Art Zaubervorführung? Hier in meiner Oper? Das klingt mir doch sehr suspekt.«
»Seht es doch so«, setzte sich Mindi für Bureus ein, »Wir machen daraus eine Inszenierung, ein ganz neues Stück. In der Hauptrolle, natürlich Ihr.« Madam Olu horchte auf. »Denkt ihr nicht, dass es den Versuch wert ist? Wie viel hundert Jahre dauert es nun schon an? Niemand von uns weiß selbst das mehr. Die Tänze auf dem Splittersee mit den Lebenden alle paar Jahre werden uns nicht befreien. Herr Bureus könnte unsere Erlösung sein. Seine Geschichte als Aufführung, mehr als das. Wir werden mittendrin sein, ein Teil davon, erleben wie die Geschichte weiter geht und Ihr, die großartige Madam Olu, werdet das Publikum mit Eurem Gesängen erfreuen. Der Vorhang wird sich wieder heben.«
» Fluch dir, dem der uns verwünscht!«, stimmte Madam Olu aus donnernder Kehle an, »Au contraire. Recht hast du, Kind, so recht.« Die füllige Dame verschwamm in ihren Tränen. »Die Oper muss leben!«
»Sagt, Herr Bureus«, sprach Mindi, »seid Ihr gewillt Teil unseres Stücks zu werden?« Ihre grauen Augen blickten verheißungsvoll in die seinigen. Mehr Geist als Leibhaftige loderte trotzdem immer noch die Glut des Lebens in ihnen.
»Gewiss, das will ich tun. Die Freud des Wiedersehens für mich, die der Erlösung euch.«
Ein warmes Lächeln legte sich auf Mindis Mund. »Ihr seid ein wahrer Edelmann, Herr Bureus.«
Freudig sprang Madam Olu auf und klatschte mehrmals in die Hände. »Chouette! Kinder, kommt, kommt alle herbei! Wir hauchen der Oper neues Leben ein!« Aus allen Wänden kamen die Geister herbei.
»So sprecht, Herr Bureus, was können wir für Euch tun?«
»Ich benötige auf jeden Fall Unterstützung beim Zauber. Sagt, wisst Ihr Näheres über Geiger? Ich hatte gehofft er würde irgendwann hier erscheinen. Er wäre mir eine große Hilfe.«
»Ohne Vermittler ist dies nicht möglich«, sagte Madam Olu bedauernd. Sie streichelte Geigers Tiger über die Nase. »Keine Sorgen, er lässt sich nicht so schnell unterkriegen. Außerdem haben wir hier genügend andere Hände wie Ihr seht. Ein Schausteller ist vielleicht kein Zauberer, aber er kann einen spielen.«
»Sei es drum. Ich benötige auf jeden Fall noch eine Zutat. Dazu müsste ich noch einmal in die Welt der Lebenden. Ohne frischen Tau kann ich nicht beginnen.«
»Nun, dazu braucht Ihr nicht die Lebenden zu besuchen«, schmunzelte Mindi, »Jeder Tautropfen ist eine Träne eines Geistes, die empor steigt den Lebenden nachzutrauern. Davon haben wir hier reichlich.«
»Man denkt man ist alt und hat alles gesehen und gehört, dabei bleibt man ewig jung und weiß nie was die Welt als nächstes für einen bereit hält«, staunte Bureus.
»Kinder, alle auf eure Plätze«, ordnete Madam Olu klatschend an. »Es ist so weit. Die Opera Fantomatique vollführt ihre erste und sogleich letzte Vorstellung. Ich erwarte, dass jeder sein Bestes gibt. Nehmt Aufstellung!« Ihr Haar saß perfekt, ihre Stimme war geschmiert.
Das Tuscheln im Auditorium verstummte, als die ersten lieblichen Klänge der Ouvertüre aus dem Orchestergraben klangen. Der Vorhang hob sich. Johannes Bureus stand im zentralen Mittelpunkt. Die Aludel sublimitierte. Im Kupferkessel verbanden sich Schwefel und Quecksilber zu einer festen Masse. Bureus träufelte Mindis Geistertränen auf einen Stängel Eisenkraut.
In ihrem prächtigstem Kleid begann Diva Olu ihre Arie, während im Hintergrund die Schausteller die Handlung vorantrieben. In künstlerischem Tanz vermittelten sie die Geschichte um Bureus' Offenbarung. Die Zuschauer
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