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Mitternachtslust

Mitternachtslust

Titel: Mitternachtslust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Winter
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gleitendes Streicheln über ihre Schulter, das sie durch den dünnen Stoff ihres Nachthemds wie eine kühle Brise empfand.
    Dies war der Moment, in dem wie durch ein Wunder alle Angst von Melissa abfiel. Ihr rasender Herzschlag verlangsamte sich, ihr Atem wurde ruhiger. Sie ließ die Türklinke los, an die sie sich wie an einen Rettungsanker geklammert hatte, und wandte sich wieder dem Zimmer zu.
    Obwohl sie noch vor einer Sekunde die Berührung gespürt hatte, konnte sie im Mondlicht erkennen, dass niemand in ihrer Nähe war.
    Mit ruhigen Schritten ging sie zum Kamin hinüber, wo sie am Abend den dreiarmigen Silberleuchter aufgestellt hatte. Sogar eine Schachtel Streichhölzer hatte sie danebengelegt. Manchmal zündete sie vor dem Schlafengehen Kerzen an. Das weiche, warme Licht schien nur die schönen Dinge, Gedanken und Erinnerungen zu beleuchten, während das Hässliche, Beängstigende im Dunkeln blieb.
    Ihre Hände waren ruhig, als sie ein Streichholz anriss und eine nach der anderen die drei Kerzen entzündete.
    Mit dem Leuchter in der Hand bewegte sie sich quer durch den Raum auf die Ecke zu, in der der Kleiderschrank seinen tiefen Schatten auf den Boden und in die kleine Nische neben dem Fenster warf.
    Doch sie wusste es, bevor sie es im flackernden Licht der Kerzen sah: Dort war niemand. Ebenso wenig wie in der Ecke hinter dem zurückgezogenen Vorhang. Was auch immer sie gehört oder gefühlt hatte, es musste ihrer Fantasie oder den Resten eines Traumes entsprungen sein.
    Sie kam sich ein wenig albern vor – wie ein Kind auf der Suche nach einem eingebildeten Gespenst –, als sie den Leuchter auf den Boden stellte und sich bückte, um unter das Bett zu schauen. Die hellen Dielenbretter leuchteten ohne jeden verdächtigen Schatten im Kerzenlicht.
    Melissa stellte den Leuchter auf das Tischchen neben ihrem Bett, schlüpfte wieder unter die Decke und betrachtete die flackernden Schatten, die die Kerzenflammen an die Wände malten.
    Morgen früh würde sie als Erstes den Sicherungskasten im Keller suchen. Wahrscheinlich war eine Sicherung herausgesprungen.
    Dass sich in dem Moment, in dem sie mit einem leichten Zucken der Augenlider in den Schlaf zurückglitt, aus der Nische neben dem Kamin ein zarter, fast durchsichtiger Schatten, ähnlich einem Hauch von Frühnebel, löste und neben ihr Bett schwebte, bemerkte sie nicht mehr …
    Melissa stellte die beiden prall gefüllten Einkaufstüten neben der Hintertür ab und ging noch einmal zum Wagen zurück, um den Rest ihrer Einkäufe aus dem Kofferraum zu holen.
    Da Richard von morgen an im Haus leben würde, hatte sie heute all die Dinge besorgt, auf die er Wert legte: drei verschiedene Saftsorten für die morgendliche Vitaminzufuhr, eine neue Espressomaschine – die alte war beim Umzug kaputtgegangen –, diverse Aufschnitt- und Käsesorten und eine Auswahl an Feinkostsalaten.
    Sie stellte den Karton, in dem sie die Getränkeflaschen für den Transport verstaut hatte, neben die Tüten und wollte gerade in ihrer Jackentasche nach dem Schlüsselbund suchen, als sie erstaunt innehielt. Die Hintertür, die eben noch geschlossen gewesen war, stand weit offen, als hätte jemand sie vorsorglich für sie geöffnet, damit sie ihre Einkäufe bequem ins Haus tragen konnte.
    Die Hand noch in der Jackentasche versenkt, stand Melissa da und starrte durch die offene Tür in den dämmrigen Raum. War die Tür eben tatsächlich geschlossen gewesen, oder hatte sie schlicht vergessen, sie zuzumachen, als sie vor zwei Stunden das Haus verlassen hatte?
    Zögernd griff sie nach den Einkaufsbeuteln und trat in die große alte Küche, die sie still empfing.
    Melissa atmete tief durch und durchquerte mit ihrer Last den Raum. Natürlich hatte sie vergessen, die Tür zu schließen! Es gab keine andere Erklärung. Immerhin hatte sie während der vergangenen Tage so viel um die Ohren gehabt, dass es nur natürlich war, wenn sie sich an die eine oder andere Kleinigkeit nicht erinnern konnte.
    Es war ihr tatsächlich gelungen, innerhalb von drei arbeitsreichen Tagen dieses Haus in ein Heim zu verwandeln, das fast so wirkte, als wäre es niemals unbewohnt, sondern seit seiner Erbauung vor hundertfünfzig Jahren durchgehend das Zuhause einer glücklichen Familie gewesen.
    Gott sei Dank war es ihr bereits am ersten Tag nach dem Einzug gelungen, über das Arbeitsamt eine zuverlässige Haushaltshilfe zu finden, die ihr vor allem bei der Grundreinigung der Zimmer geholfen hatte.
    Frau Gruber war

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