Mitternachtspicknick
mussten die anderen sie ernst nehmen.
Mittags erschien Steffi, ein schnippisches kleines Mädchen mit kurzen blonden Haaren. Sie trug ein Tablett, das sie auf Kathrins Nachttisch stellte.
»Dein Essen«, sagte sie kurz. »Guten Appetit!«
»Warte«, bat Kathrin. Sie kramte einen Zettel hervor. Mit Bleistift hatte sie darauf gekritzelt: »Lieber Tom, ich muss dir etwas Wichtiges erzählen. Ich habe eine interessante Beobachtung gemacht, die mit unseren Einbrechern zu tun haben könnte. Besuch mich im Krankenzimmer. Kathrin.«
»Gibst du den Zettel Tom?«, fragte sie.
Steffi zuckte mit den Schultern. »Wenn ich ihn sehe.«
»Dass du es ja nicht heimlich liest«, warnte Kathrin, die hoffte, Steffi würde genau das tun. Der Text, fand sie, klang doch sehr geheimnisvoll, und Steffi sollte sich ruhig Gedanken darüber machen. Aber da schätzte sie das Mädchen falsch ein. Steffi fand Kathrin sterbenslangweilig und es interessierte sie nicht im Geringsten, wie die Nachrichten lauteten, die sie irgendwelchen Leuten schrieb. Sie traf Tom im Stall, wo er scheinbar zufällig auf einem Heuballen saß und in einer Zeitschrift blätterte. In Wahrheit beschattete er Frau Jung. Die anderen hatten an der Wanderung teilgenommen, daher war ihm die Detektivarbeit zugefallen. Heute allerdings schien das verlorene Zeit zu sein. Frau Jung hatte sich vorgenommen, ihr Lieblingspferd, den Rotfuchs Flaneur, auf Hochglanz zu bringen, und so war sie schon den ganzen Morgen über damit beschäftigt, ihn zu striegeln, seine Mähne und seinen Schweif zu waschen und seine Hufe einzufetten. Außerdem brachte sie seinen Sattel und sein Zaumzeug in Ordnung, und Tom langweilte sich.
Steffi reichte ihm den Zettel. »Von unserer lieben Kathrin. Soll ich dir geben.«
Tom las ihn stirnrunzelnd. Welche Beobachtung sollte Kathrin schon gemacht haben? Sicherlich wollte sie sich bloß aufspielen. Aber es konnte nicht schaden, sich ihre Geschichte anzuhören. Er warf noch einen Blick auf Frau Jung. Vor einer Stunde würde sie nicht fertig sein, also konnte er ruhig einen Moment ins Krankenzimmer gehen.
Kathrin hatte sich ein neues blaues Nachthemd übergestreift, die Lippen nachgezogen und die Haare gebürstet.
Sie lächelte Tom an. »Schön, dass du gleich kommst«, sagte sie.
Tom legte den Finger auf den Mund. »Nicht so laut! Wenn die Schwester kommt, muss ich gleich wieder verschwinden. Was wolltest du erzählen?«
»Ich hätte es schon viel früher sagen sollen«, sagte Kathrin, die ihren Auftritt genoss, mit gespielter Zerknirschung, »aber mir war die Bedeutung meiner Beobachtung nicht klar.« Sie machte eine Kunstpause. Dann berichtete sie von jener ersten Nacht in der Eulenburg, als sie vom Waschraum aus die blinkenden Lichter zweier Taschenlampen gesehen hatte.
»Sie gaben einander Zeichen, ganz sicher«, sagte sie aufgeregt. »Weißt du, ich habe mir etwas überlegt. Findest du es nicht auch merkwürdig, dass die Täter immer genau wussten, wo es sich lohnen würde einzubrechen? Ich glaube, die haben einen Spitzel, einen Spion. Jemand, der sich hier überall in den Häusern auskennt. Der auskundschaftet. Und danach richten die anderen ihre Pläne.« Sie überlegte kurz. »Dieser Jemand hat auch die Zeichen mit der Taschenlampe gegeben«, fügte sie triumphierend hinzu und sah Tom erwartungsvoll an.
»Da hast du sicher recht«, meinte er vorsichtig.
Kathrins Bericht brachte ihn nicht weiter, er bestätigte nur, was sie sich alle schon gedacht hatten. Immerhin war es ganz interessant. Wenn man auch nachts die Augen offen hielte, dachte er, könnte man anhand der Lichter vielleicht etwas herausfinden. Frau Jung schleicht also auch zu nächtlicher Stunde in der Gegend herum ...
»Die Frau, die wir bei den beiden Männern in der Waldhütte gesehen haben«, fuhr Kathrin fort, »könnte das die Informantin sein?«
Tom erschrak. Wie gefährlich nah Kathrin der Wahrheit kam. Er zögerte. »Möglich wäre das.«
Kathrin setzte sich aufrecht hin und warf die Haare zurück. »Nun, was machen wir als Nächstes?«, fragte sie.
Genau so etwas hatte Tom schon befürchtet. »Wir sollten gar nichts unternehmen«, meinte er. »Ich glaube nicht, dass das etwas nützte. Die Polizei hat ja die Sache in der Hand.«
»Aber wir sollten der Polizei zuvorkommen. Wir wissen viel mehr als sie. Zum Beispiel, dass die Bande noch einen weiteren Einbruch plant. Meinst du nicht, wir sollten versuchen, den zu verhindern?«
Tom murmelte etwas.
Kathrin begriff
Weitere Kostenlose Bücher